Historischer Tiefstand bei den FuE-Aktivitäten

Risikofaktor Bürokratie als Innovationsbremse


Historischer Tiefstand bei den FuE-Aktivitäten: Risikofaktor Bürokratie als Innovationsbremse Studie

Der Mangel an Fachkräften und die zunehmende Bürokratie bremsen die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stark aus – und das in einem aktuell für die Unternehmen schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Das zeigt der Innovationsreport 2023 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).

Dem Report liegen die Angaben von mehr als 2.200 Betrieben zugrunde. Demnach ist die Innovationsbereitschaft der deutschen Wirtschaft auf dem niedrigsten Stand seit der ersten Erhebung im Jahr 2008 gesunken.

Wollten bei der letzten Befragung vor drei Jahren noch knapp die Hälfte der Unternehmen ihre Innovationsaktivitäten ausweiten, planen dies heute nur noch rund ein Drittel. 15 Prozent der Betriebe in Deutschland möchten ihre Innovationsaktivitäten in den kommenden zwölf Monaten sogar verringern.

Abb. 01: Zukünftige Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]Abb. 01: Zukünftige Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]

Die derzeitigen Rahmenbedingungen in Deutschland hemmen die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen bei ihren Innovationsaktivitäten. Betroffen sind kleine und große Unternehmen gleichermaßen. Die Folge: Obwohl insgesamt weiterhin mehr Betriebe ihr Innovationsengagement steigern als reduzieren wollen, ist der Innovationsaktivitätssaldo größenunabhängig seit 2020 deutlich gesunken: für Unternehmen mit einer Größe von über 500 Mitarbeitern um 16 Punkte (von 58 auf 42), bei Unternehmen bis zu 500 Mitarbeitern um 3 Punkte (von 40 auf 37), und bei den kleinsten Betrieben um 10 Punkte (von 27 auf 17). Die stärkste Reduzierung von Aktivitäten fand bei Unternehmen mit einer Größe von 50 bis 99  Mitarbeitern statt: Ein Rückgang um 19 Punkte (von 34 auf 15). Es zeigt sich – das Zurückfahren von Investitionen kommt zum Schluss auch bei den Innovationen an.

Abb. 02: Voraussichtliche Entwicklung der Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]Abb. 02: Voraussichtliche Entwicklung der Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]

Personalnot und Bürokartei hemmen Innovation

Den Rückmeldungen zufolge ist der Fachkräftemangel mittlerweile zum Innovationshemmnis Nummer eins geworden, dicht gefolgt von den bürokratischen Hürden. Fast drei Viertel der Unternehmen sehen sich durch ihre begrenzten personellen Kapazitäten ausgebremst. An zweiter Stelle stehen die hohen bürokratischen Anforderungen. Mehr als zwei Drittel der Betriebe beklagen, dass die Bürokratie sie in ihren Innovationen einschränkt. Dazu zählen komplexe Zulassungs- und Genehmigungsverfahren ebenso wie kleinteilige Dokumentationspflichten.

In der betrieblichen Praxis wirken die hohen bürokratischen Lasten damit als Investitionshemmnis und schaden dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Diese Situation dürfte sich angesichts zusätzlicher Anforderungen beispielsweise durch die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung und das europäische Lieferkettengesetz tendenziell weiter verschärfen. Eine der besonders betroffenen Branchen ist die Chemische und Pharmazeutische Industrie mit 83 Prozent. So sehen sich beispielsweise Chemieunternehmen mit zunehmenden regulatorischen Anforderungen, etwa bei der Entwicklung und dem Einsatz von Chemikalien konfrontiert (REACH). Für kleine und mittlere Pharmaunternehmen stellt der große Dokumentationsaufwand in der Forschung eine Herausforderung dar. In der Baubranche (74 Prozent) ist die Situation vergleichbar. Die Existenz von 16 verschiedenen Landesbauverordnungen mit komplexen und unterschiedlichen Vorschriften für jedes Bundesland führt zu Verzögerungen, steigenden Kosten und Unsicherheiten in Bauprojekten.

Abb. 03: Einschränkende Faktoren der Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]Abb. 03: Einschränkende Faktoren der Innovationsaktivität [Quelle: DIHK Innovationsreport 2023]

Um Unternehmen in ihren Innovationsaktivitäten zu unterstützen und zu fördern, sollten Verfahren vereinfacht, verschlankt und durch die Digitalisierung beschleunigt werden. Die Coronakrise hat gezeigt, dass entsprechende Maßnahmen wie z. B. die Abkehr von Schriftformerfordernissen möglich sind. Das Ziel sollte daher sein, Vorschriften und Richtlinien zurückzufahren, Vorgaben näher an der Praxis auszurichten und Belastungen abzubauen, um Kapazitäten für Innovationen freizusetzen. Außerdem sollten zukünftige Gesetze auf ihre Innovationsfreundlichkeit geprüft werden. Reallabore und Experimentierklauseln sind eine niedrigschwellige Möglichkeit für Betriebe, Innovationen im Rahmen eines gelockerten Regulierungsrahmens voranzutreiben – und damit neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen hervorzubringen, so der Innovationsreport. Wissenschaft und Wirtschaft sollten zukünftig verstärkt gemeinsam in diesen Experimentierräumen agieren. 

"Viele Unternehmen sind vollauf damit beschäftigt, mit den aktuellen Herausforderungen klarzukommen", berichtet DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Sie kümmern sich um das Kerngeschäft, sie sind beschäftigt mit dem Einhalten oder Umsetzen von Vorschriften und haben dann kaum noch Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen. Diesen Trend müssen wir unbedingt umkehren, damit Deutschland wieder an seine klassischen Stärken anknüpfen kann."

Innovation wandert ins Ausland ab

Dass die Zeit drängt, zeigt auch das steigende Interesse am Aufbau von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Ausland. Wollte bei der Vorumfrage nur ein Viertel der Unternehmen Forschungs- und Entwicklung- (FuE-) Kapazitäten im Ausland aufbauen, ist es mittlerweile bereits ein Drittel.

Wansleben: "Neue Ideen und Produkte 'Made in Germany' brauchen wir jedoch dringender denn je, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland lebt von der Innovationskraft seiner Unternehmen. Wenn Deutschland den Sprung in die Zukunft schaffen soll, muss es jetzt schnell Signale der Politik an die forschenden Unternehmen geben. Wir brauchen Innovationsbeschleuniger!"

Die Unternehmen zeigten der Politik in ihren Antworten die erforderlichen Hebel, um die Innovationsdynamik der Hidden Champions in den Schlüsselbranchen wieder in Gang zu setzen. "Jetzt liegt es an ihr, diese zu nutzen", mahnt der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Der vorgeschlagene Pakt für Beschleunigung und das vierte Bürokratieentlastungsgesetz seien Anreize, die es jetzt umzusetzen gelte. Denn: "Die Unternehmen gewinnen erst dann wieder Vertrauen, wenn angekündigte Entlastungen in der betrieblichen Praxis ankommen.

Ohne Freiräume keine Exportschlager

Insgesamt sei ein innovationsfreundliches Umfeld erforderlich, "das den Unternehmen Freiräume lässt, neue Exportschlager zu entwickeln", erläutert Wansleben. "Dazu gehören technologieoffene Förderprogramme, die schnell und bürokratiearm die Unternehmen erreichen, niederschwellige Möglichkeiten, mit der Wissenschaft zu kooperieren und Reallabore, um Innovationen zu erproben. Diese Punkte sollte auch die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) aufgreifen."

Download Innovationsreport 2023

 

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock.com | peshkova ]
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