Liquifiability Index

Ökonomisch präziseres Bild der Liquiditätssituation


Ökonomisch präziseres Bild der Liquiditätssituation News

Liquiditätsrisiken können in vielfältiger Form auftreten. Die Prognose des zukünftigen Nostro-bestandes einer Bank bei der Zentralbank (Forward Liquidity Exposure, FLE) wird üblicherweise als Maß für die Gefahr, kontraktuellen Verpflichtungen nicht nachkommen zu können (primäres Illiquiditätsrisiko) benutzt. Ist in der Prognose die FLE zu einem zukünftigen Zeitpunkt tX positiv, wird die Bank dann liquide sein (in diesem Modell). Ist hingegen die FLE in tX negativ, bedeutet dies jedoch noch nicht, dass die Bank in tX notwendigerweise illiquide sein wird, da keine Bank einen drohenden Liquiditätsengpass tatenlos hinnehmen wird. Sie wird vielmehr versuchen, durch die Generierung von Liquidität entgegenzuhandeln: entweder durch die Anwerbung von (besicherten oder unbesicherten) Verbindlichkeiten, oder durch den (finalen oder temporären) Verkauf von Aktiva. Die Umsetzung dieser liquiditätsgenerierenden Strategie wird als CounterBalancing Capacity (CBC) der Bank bezeichnet. Da das Illiquiditätsrisiko - repräsentiert durch die FLE - eine Zeitstruktur besitzt, sollte auch die CBC im Zeitverlauf dargestellt werden.

Im Liquidity Coverage Ratio (LCR) von Basel III werden die obigen Prinzipien regulatorisch umgesetzt: das Illiquiditätsrisiko ist nicht wie Markt- und Kreditrisiken mit Kapital zu unterlegen, sondern wird mit der Fähigkeit der Bank, einen zukünftigen Engpass zu kompensieren verglichen. Die High Quality Liquid Assets (HLA) repräsentieren die CBC, allerdings stark vereinfacht: gewisse Aktiva werden als HLA klassifiziert und es wird angenommen, dass diese (nach Abzug eines Haircuts vom Marktpreis) unverzüglich in Geldzuflüsse konvertiert werden können.
Obwohl die in Basel III verwendete Methodik weitgehend als "prinzipiell richtig" akzeptiert wird, gibt es doch Kritikpunkte. Basel III erläutert nicht explizit, welche Aktiva als HLA gelten können. Es werden weder die speziellen historischen oder vorherrschenden Umstände konkretisiert, unter denen ein Aktivum als "hochliquide" zu betrachten ist, noch wird eine allgemeine Regel angegeben, welche Eigenschaften des Aktivums für seine "Liquidisierbarkeit" ursächlich sind. Bei der praktischen Umsetzung des LCR wird dies zu Unklarheiten und hohen Aufwänden führen. In der letzten Krise konnten gewisse Aktiva zwar nur mit höheren Abschlägen bzw. nur zeitverzögert verkauft werden, sie waren aber nicht völlig illiquide. In der regulatorischen Sicht ist nun aber ein Aktivum entweder ein HLA – und dann sofort vollständig in Cash konvertierbar – oder es trägt nichts zur Liquiditätsgenerierung bei (weil es nicht-HLA ist); d. h. die ökonomische Sicht wirf stark verkürzt.

Die neuen HLA-Regeln können auch eine unerwünschte Prozyklizität erzeugen: in einer zukünftigen Krise würde sich zwar die ökonomische Liquidisierbarkeit der regulatorisch als HLA klassifizierter Aktiva verbessern (flight to quality) – dadurch bedingt würden aber alle anderen Aktiva völlig illiquide.

In ökonomischer Sicht ist die Liquidisierbarkeit szenarioabhängig: Staatsanleihen die unter den gegebenen Marktumständen sehr gut liquidisierbar sind; würden in einem Szenario mit starken Verwerfungen in der Eurozone jedoch schnell illiquide.
Im Folgenden wird beschrieben, wie die Aktiva der Bank in Gruppen vergleichbarer Liquidisierbarkeit (Liquifiability Units) eingeteilt werden können, welche dann szenarioabhängig im Zeitverlauf hypothetisch liquidisiert werden. Innerhalb jeder Liquifiability Unit werden (per Szenario) die gleichen Annahmen zur Liquidisierbarkeit gemacht: innerhalb einer Periode kann ein bestimmter Prozentteil der Aktiva (mit einem bestimmten Abschlag) verkauft werden; der Rest wird zu einem anderen Prozentteil (mit einem Haircut) per Repo liquidisiert. In der nächsten Periode wird ein weiter Teil der Aktiva verkauft und der Rest geht in den Repo etc.

Um die Einordnung der Aktiva in Liquifiability Units nachvollziehbar zu machen, wird ein kleiner Umweg gewählt: zuerst wird für jedes Aktivum ein individueller Liquifiability Index (LiX) ermittelt, dann werden alle Aktiva mit vergleichbarem LiX in eine Liquifiability Unit gruppiert. Der LiX basiert auf dem (internen oder externen) Rating eines Aktivums, wird aber durch ein System von Bonus- bzw. Maluspunkten adjustiert, um die individuelle Liquidisierbarkeit zu reflektieren: so erhalten zum Beispiel Staatsanleihen mit AAA-Rating einen Start-LiX, welcher jedoch um einen Bonuspunkt erhöht wird, falls es sich bei dem emittierenden Land beispielsweise um Deutschland, USA oder die Niederlande handelt. Umgekehrt werden vom Start-LiX Maluspunkte abgezogen, falls das Emissionsvolumen zu klein, die Anleihe strukturiert ist oder in einer Fremdwährung emittiert wurde, etc.
In der Konsequenz liefert diese Art der Darstellung ein ökonomisch präziseres Bild der Liquiditätssituation einer Bank und damit der Risikotragfähigkeit ihres Geschäftsmodells in einem gewählten Szenario.

Der komplette Text "The Liquifiability Index (LiX) of an Asset" kann in der RiskNET eLibrary heruntergeladen werden:

 


[Bildquelle: © Brad Pict - Fotolia.com]

 

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