Bear Stearns: In der Abwärtsspirale des Misstrauens


Der dramatische Kollaps der Investmentbank Bear Stearns zeigt sehr deutlich, wie schnell sich Misstrauen in turbulenten Marktsituationen derart verschlechtern kann, dass man gegen die Wand fährt. Und dies trotz eines exzellenten Risikomanagements. Noch Mitte der vergangenen Woche hatte konzernchef Alan Schwartz öffentlich erklärt, dass die Bank ein ausreichendes Liquiditätspolster habe, um die Finanzkrise durchzustehen. "Die Spekulationen seien lächerlich", hieß es aus der Bank. Am Freitag der vergangenen Woche musste Schwartz dann einräumen, dass sich die Liquiditätslage innerhalb von 24 Stunden "deutlich verschlechtert" hat. Die Schuld sieht es jedoch vor allem bei den Marktteilnehmern: "Bear Stearns war Gegenstand unzähliger Gerüchte. Wir haben versucht, Fakten von Fiktionen zu trennen."

Damit hat Schwartz den Nagel auf den Kopf getroffen, den Bear Stearns hatte in den vergangenen Monaten ihre Reputation bei den Marktteilnehmern verspielt. Die im Jahr 1923 gegründete US-amerikanische Investmentbank mit Hauptsitz in New York ist in den vergangenen Monaten nicht unbedingt durch ein professionelles Krisenmanagement aufgefallen. Vielmehr verspielt Bear Stearns ihren "guten Ruf" innerhalb kürzester Zeit. Wenn die Gerüchteküche brodelt, ist es für Unternehmen höchste Zeit, einzugreifen, bevor die Gerüchte in der Öffentlichkeit ihre eigene Dynamik entfalten.

Ist der Ruf erst ruiniert …

Bei Bear Stearns sah man dies anders: Als am 17. Juli 2007 zwei Hedge-Fonds von Bear Stearns kollabieren, spielt deren Vorstand James E. Cayne Golf in New Jersey. In der Konsequenz warf man ihm vor, dass er seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen sei und sich zu wenig um das Geschäft von Bear Stearns gekümmert habe. Ergebnis: Der 74-Jährige wechselt das Büro und ist ab sofort nicht mehr Vorstandsvorsitzender, sondern Vorsitzender des Verwaltungsrats.

Analyst David Hendler vom Researchhaus Creditsights wies bereits im Sommer vergangenen Jahres in einer Studie darauf hin, dass der Imageschaden und die Mutmaßungen um Liquiditätsprobleme zur Übernahme durch eine der großen US-Geschäftsbanken wie JP Morgan Chase, Bank of America oder Wachovia führen könnten. Man hätte ergänzen sollen: Ein guter Ruf gewährt keine Sicherheit, d. h. es gibt keinen "Reputationskredit". Diese Grundregel gilt auch für eine 85-jährige Investmentbank.

Bridge ist wichtiger als Krisenmanagement

Und in der vergangenen Woche fragte das "Wall Street Journal" zum wiederholten Mal aufgeregt: "Wo in aller Welt ist Jimmy Cayne?"

Diesmal spielt Cayne in Detroit Bridge. Sieht so ein professionelles Krisenmanagement aus? Gewinnt man so das Vertrauen von Investoren, wenn der Verwaltungsratschef und vor allem das Aushängeschild der fünftgrößten US-Investmentbank sich beim Bridge vergnügt?

Am Wochenende wurde schließlich vermeldet, dass das drittgrößte US-Kreditinstitut JP Morgan Chase die schwer angeschlagene Investmentbank Bear Stearns für einen Preis kauft, der weit unter dem Börsenwert von Freitag liegt. JP Morgan werde für die Übernahme von Bear Stearns rund 2 US-Dollar je Aktie zahlen, teilte das Unternehmen in der Nacht zum Montag mit.


Risk Academy

Die Intensiv-Seminare der RiskAcademy® konzentrieren sich auf Methoden und Instrumente für evolutionäre und revolutionäre Wege im Risikomanagement.

Seminare ansehen
Newsletter

Der Newsletter RiskNEWS informiert über Entwicklungen im Risikomanagement, aktuelle Buchveröffentlichungen sowie Kongresse und Veranstaltungen.

jetzt anmelden
Lösungsanbieter

Sie suchen eine Softwarelösung oder einen Dienstleister rund um die Themen Risikomanagement, GRC, IKS oder ISMS?

Partner finden
Ihre Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.