Kapitallücke bei Banken

Banken sollen ihre Risikotragfähigkeit erhöhen


Banken sollen ihre Risikotragfähigkeit erhöhen News

Des einen Leid, des anderen Freud: Während deutsche Banken darum kämpfen, immer höhere Kapitalanforderungen der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) zu erfüllen, lauern interessierte Käufer wie Hedge Fonds und Versicherer auf Schnäppchen. Und die werden sich ihnen sicherlich in den kommenden Monaten bieten, denn in einer Studie vom Mittwoch errechnet J.P. Morgan Cazenove, dass die 24 größten europäischen Banken in den nächsten drei Jahren ihre risikogewichteten Anlagen um rund 1,4 Bill EUR herunterfahren werden. Diese unvorstellbar hohe Summe kann nur auf eine Weise zustandekommen: Die Banken werden nicht nur Bilanzrisiken abbauen, sondern auch Unternehmensteile auf den Markt werfen.

"Gewinner der erzwungenen Verkäufe sind diejenigen, die keine Banken sind", folgern die Analysten von J.P. Morgan Cazenove. Allein bis zum Jahresende 2012 rechnet J.P.Morgan Cazenove damit, dass 700 Mrd EUR der risikogewichteten Anlagen bei den Banken abgebaut werden. Die Maßnahme sollte dazu führen, dass die harte Kernkapitalquote nach den 2019 geltenden Kapitalrichtlinien (Basel III) auf durchschnittlich 8,4% ansteigen könnte.

Und die harte Kernkapitalquote ist inzwischen zum zentralen Problem für die Banken geworden. Denn sie praktizieren die Bilanzreduktion auf Druck der EBA, die bis Mitte 2012 eine harte Kernkapitalquote von 9% fordert. In Deutschland sind vor allem die Deutsche Bank und die Commerzbank von der Kapitallücke betroffen. Die Commerzbank etwa verschreckte Anfang der Woche Anleger mit einem unbestätigten Bericht, dass der Kapitalbedarf statt der bisher erwarteten 2,94 Mrd EUR rund 5 Mrd EUR betragen könnte. UBS-Analyst Philipp Zieschang geht sogar von 6 Mrd EUR aus, wenn die Zahlen für das dritten Quartal eingerechnet werden.

Commerzbank-Chef Martin Blessing will die Kapitalvorgaben der EBA bis Mitte 2012 ohne staatliche Hilfe erreichen. Eine Kapitalerhöhung könnte für das Unternehmen schwer zu stemmen sein. Daher fragen sich Analysten bereits, welche Hebel die Commerzbank zusätzlich in Bewegung setzen müsste, um diese Aufgabe zu bewältigen. Kepler Equities-Analyst Dirk Becker spekuliert, dass profitable Tochterunternehmen wie Comdirect oder die polnische BRE Bank unter den Hammer kommen könnten.

Bis vor kurzem war das für die Commerzbank noch kein Thema, da insbesondere Polen zu den Kernmärkten zähle. Eine mit der Sache vertraute Person räumte gegenüber Dow Jones jedoch ein, dass auch ein solcher Verkauf nicht mehr ausgeschlossen werden könne. Der Commerzbank könnte das einen Geldsegen von rund 3 Mrd EUR bescheren. Als Käufer kommen laut Becker strategische Investoren in Frage, schließlich "sind das beides hoch attraktive Unternehmen". Die Commerzbank hält knapp 80% an seiner Direktbank-Tochter Comdirekt und 70% an der BRE, was ihr laut Becker weitere Möglichkeiten eröffnet: "Auch eine komplette oder teilweise Platzierung der von Commerzbank an den beiden börsennotierten Unternehmen gehaltenen Anteile ist denkbar", sagte Becker.

Selbst Deutschlands Branchenprimus Deutsche Bank verfügt über eine Kapitallücke, die bis zu 3 Mrd EUR betragen könnte. Kein Problem, sagen Analysten - immer vorausgesetzt, dass es bei dieser Summe bleibt. Vor diesem Hintergrund wird die Ankündigung des Branchenprimus, die Vermögensverwaltung auf den Prüfstand zu stellen, positiv aufgenommen. "Der Bereich ist nicht gerade profitabel", sagte Michael Rohr, Analyst bei Silvia Quandt Research. Im dritten Quartal hatte die Deutsche Bank für den Bereich Vermögensverwaltung eine Verdopplung des Vorsteuerergebnis auf 186 Mio EUR präsentiert. Aber der Verkauf könnte dem Frankfurter Institut bis zu 4,5 Mrd EUR in die Kassen spülen, schätzt Christopher Wheeler von Mediobanca. "Damit würde die harte Kernkapitalquote nach Basel III auf 8,1% steigen", errechnet der Analyst.

Für den Bereich Insurance Asset Management der Deutschen Bank kommen nach Angaben von Wheeler als Käufer zum Beispiel Blackrock oder auch SwissRe in Frage. Allianz-Finanzvorstand Oliver Bäte sagte kürzlich sogar ganz offiziell, die Allianz "kann von der Bankenkrise profitieren." Man sehe viele Assets, die Banken los werden wollten. Einen Auge hat er insbesondere auf attraktive Hypothekenportfolien geworfen, die von den Banken verbrieft oder verkauft werden könnten.

Andere Investoren dürften sich aber genau überlegen, ob sie bei Bankaktien zugreifen. "Investoren sind inzwischen sehr vorsichtig und wählerisch, wem sie ihr Geld anvertrauen", erläutert DekaBank-Fondsmanagers Daniel Sarp. Tim Albrecht, Fondsmanager bei DWS Investment, wird noch etwas konkreter: "Bei Banken sind wir derzeit vorsichtig." Das Vertrauen fehle. Sowohl bei der DWS als auch bei der DekaBank ist man überzeugt, dass die Sparpakete der Staaten in Europa das Wachstum bei den Banken spürbar beeinflussen werden. "Auch die harte Kernkapitalquote von 9% wird uns Wachstum kosten", ist DWS-Chefstratege Asoka Wöhrmann überzeugt.

Derweil wird die Kritik an der EBA immer lauter. In einem Schreiben an EBA-Chef Andrea Enria, das Dow Jones vorliegt, bat die Deutsche Kreditwirtschaft am Donnerstag darum, die Rekapitalisierungspläne nicht Ende Dezember, sondern erst Mitte Januar vorlegen zu müssen. Auch die Bankenverbände machen Front gegen die EBA. "Es ist nicht hinnehmbar, dass die EBA im laufenden Verfahren mehrfach die Kriterien für die Berechnung des Kapitalbedarfs verändert und die Vorgaben zur Detailtiefe der Veröffentlichung ausweitet", beklagte Hans Reckers, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands. Sparkassenpräsident Heinrich Haasis beschuldigt die EBA gar, das deutsche Finanzwesen in Gefahr zu bringen. "Völlig ohne rechtliche Legitimation versucht die europäische Aufsicht, Wirtschaftsstrukturen zu beeinflussen", sagte er.

 

[Bildquelle: iStockPhoto]

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