Spieltheoretische Ansätze zur Verbesserung des Ratingprozesses

Anreiz-Bedingungen für glaubwürdige Ratingnoten


Anreiz-Bedingungen für glaubwürdige Ratingnoten News

Ratingagenturen werden für ihre Rolle während der Finanz-Krisen nach wie vor stark kritisiert. Sie haben eine Mitschuld, sind aber mit Sicherheiten nicht der allein schuldige Mitspieler. Schuld und Verantwortung tragen auch die Kunden der Ratingagenturen, also die Emittenten. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Rolle der Emittenten und diskutiert ein mögliches Design für ein glaubwürdiges Emittenten-Verhalten.

Bei jeder Finanzmarkttransaktion gibt es einen Käufer und einen Verkäufer. Die beiden Parteien sind durch unterschiedliche Informations-Verteilungen charakterisiert. Wie beispielsweise auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt [Vgl. Akerlof 1970] ist der Verkäufer der Informations-Insider, der Käufer der Informations-Outsider. Natürlich versucht der Insider, seinen Informations-Vorsprung auszunutzen. Der Outsider kennt diese Gefahr und kann mit dem Abbruch der Transaktion drohen. Wenn beide Seiten an der Fortsetzung der Kooperation interessiert sind, werden sie nach Möglichkeiten suchen, die Informations-Lücke zu schließen. Dazu werden sehr spezielle Institutionen und/oder sehr spezielle Vertragsformen benötigt. Ratingagenturen sind somit eine Folge dieser Asymmetrie-Situation auf dem Finanzmarkt.

Wie die Krise gezeigt hat, waren Ratingagenturen jedoch nicht in der Lage, die Informationslücke zu schließen. Diese Feststellung kann kaum überraschen, da Ratingagenturen ebenfalls Informations-Outsider sind. Sie sind daher auf die Offenlegung korrekter Informationen durch die Insider angewiesen. Über den Rating-Prozess schreibt beispielsweise Fitch Rating Inc.: "Fitch does not, and has no obligation to, audit or verify the accuracy of data provided. Moreover, issuers may choose not to share certain pieces of information with external parties, including rating agencies, at any time." [Fitch 2006, S. 4]

Der vorliegende Beitrag diskutiert einen Anreiz-Mechanismus, der die Insider zur Offenlegung korrekter Informationen bringen soll. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist der vorgeschlagene Mechanismus "self enforcing“ und garantiert einen "truth revealing“ Informations-Transfer vom Insider zu den Ratingagenturen.

Dabei ist nicht zu verkennen, dass auch bei Ratingagenturen Interessenskonflikte bestehen, die im vorliegenden Beitrag aber nicht primär im Fokus steht. Vielmehr geht es darum, die Bedingungen für die Möglichkeit der Entstehung einer korrekten Ratingnote zu diskutieren. Ob diese Möglichkeiten von den Ratingagenturen dann tatsächlich genutzt werden oder nicht, ist eine andere  Frage.

Um die Voraussetzungen zu schaffen, muss der Informations-Insider (also der Wertpapier-Emittent oder Kreditnehmer) mit einer Anreiz-Situation konfrontiert werden. Die Anreiz-Bedingungen werden von einem übergeordneten Kontroller festgelegt. Der Kontroller muss eine neutrale Instanz sein, die keinerlei Profitinteressen verfolgt. Daher ist eine private Ratingagentur nicht dazu geeignet, diese Bedingungen festzulegen. Es muss also eine staatliche Institution sein. Das Ziel dieser Institution besteht darin, die Offenlegung korrekter und glaubwürdiger Unterlagen zu garantieren. Der Emittent oder Kreditnehmer kennt seine eigene Situation genau. Er kann also die korrekten Informationen liefern oder eben nicht. Der Kreditnehmer hat also zwei Aktionsmöglichkeiten: Entweder er legt alle verfügbaren Informationen vollständig auf den Tisch oder er versteckt bzw. verschweigt einen substanziellen und verfolgt eine Strategie des "Window Dressings".

Die beschriebene Situation kann gut mit Hilfe der Spieltheorie gut analysiert [Vgl. Schelling 1970; Rieck 1993; Rasmusen 1989; Holler/Illing 2006]. Hier werden Interessenkonflikte als Spiele dargestellt. Jeder Spieler hat verschiedene  Strategien. Das Ergebnis des Spieles hängt davon ab, wie sich alle beteiligten Spieler entschieden haben. Es geht also um ein Verhaltensmuster, das als "strategische Interdependenz" bezeichnet wird. Die Lösung des Spieles stellt eine Strategiekombination dar, in der alle Spieler keinen Anreiz mehr haben, von der gewählten Strategie abzuweichen. Damit ist die Lösung anreiz-kompatibel.

Aktuelle Situation

Das Spiel, das die aktuelle Situation abbildet, hat zwei Spieler: Den staatlichen Kontroller und den Emittenten. Jeder der Spieler verfolgt sein spezifisches Ziel: Der Kontroller möchte das Vertrauen auf dem Markt aufrechterhalten, also die Informationsasymmetrie minimieren. Der Emittent möchte die Vorteile aus der Informationsasymmetrie absichern, also die Informationsasymmetrie maximieren. Als Instrument zum Informationsausgleich dient die Ratingnote. Der Kontroller hat in der aktuellen Situation aber keine Entscheidungsalternative. Er ist also ein passiver Spieler. Der Emittent ist jedoch ein aktiver Spieler: Er kann aus den folgenden Alternativen auswählen.

Die Alternativen lauten:

  • Strategie A: Alles offenlegen, nichts verschweigen
  • Strategie V: Teile der wahren Situation verschweigen


Für welche Strategie wird sich der Emittent entscheiden? Die Antwort ist klar: Strategie V, da es in praktisch jeder Firma negative Teilaspekte gibt und praktisch jeder Emittent oder Kreditnehmer irgendeine "Leiche im Keller“ hat. In der Praxis wird daher jeder Emittent gewisse Tatbestände verschweigen – bewusst oder unbewusst.

Die Wahl der Strategie V ist für den Emittenten also die beste Lösung. Er kann durch sein Verschweigen die Ratingagentur teilweise täuschen. Die Ratingagentur vermutet zwar dergleichen, kann dies bei der gegebenen Informationslage aber beweisen. Die Ratingagentur vergibt daher eine Ratingnote nach besten Wissen und Gewissen, die aber unberechtigterweise zu gut ausfällt. Mit dem zu guten Rating sind reduzierte Kapitalkosten erreichbar. Bei der Wahl der Strategie A hätte der Emittent diese Extra-Vorteile nicht realisieren können. Der Emittent profitiert also von seiner Strategie des Verschweigens.

Genau diese Situation konnte vor und in der Krise beobachtet werden. Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Emittenten der Hauptverursacher der Krise sind. Es ist aber auch klar, dass die Ratingagenturen ohne korrekte Informationen von Seiten des Emittenten beim auch beim besten Willen keine korrekten Ratingnoten festlegen können. Ob die Agenturen bei der darauf folgenden Rating-Entscheidung wirklich den "besten Willen" hatten, darf allerdings ebenfalls stark angezweifelt werden.

Lösungsvorschlag

Die Grundidee des im Weiteren dargestellten Lösungsansatzes lautet folgendermaßen: Jeder Emittent soll für die Offenlegung seiner Informationen die finanzielle Verantwortung tragen. Falls der Emittent die erstelle Ratingnote veröffentlichen will, muss er eine bestimmte Geldsumme als "Sicherheit" beim Kontroller einzahlen. Diese Sicherheit dient als Anreiz-Instrument, das gewährleisten soll, dass der Emittent die richtigen und kompletten Informationen an die Ratingagentur weitergegeben hat. Ferner muss er die erstellte Ratingnote vor der Veröffentlichung überprüfen und bestätigen. Da der Emittent der Informations-Insider ist, kann er eindeutig feststellen, ob die erstellte Ratingnote korrekt ist oder nicht. Falls die veröffentliche Ratingnote bis zum Ende einer genau definierten Geltungsperiode durch die Realität nicht bestätigt werden kann, verliert der Emittent die eingezahlte Sicherheit und sein Rating wird zwangsläufig nach unten angepasst. Im Gegenfall bekommt der Emittent die eingezahlte Summe zurück. Daher liegt es im Eigeninteresse des Emittenten, die Informationen sorgfältig und ehrlich weiter zu geben.
Um den Anreiz-Mechanismus zu erklären, wird ein Kontroller-Emittent-Spiel vorgestellt. In diesem Spiel erhält der Kontroller eine echte Entscheidungsalternative. Beim Emittenten bleiben die Entscheidungsalternativen unverändert und lauten nach wie vor wie folgt:

  • Strategie A: Alles offenlegen, nichts verschweigen
  • Strategie V: Wichtige Informationen verschweigen.


Der Kontroller wird in der veränderten Situation ein aktiver Spieler und verfügt über zwei Entscheidungsalternativen:

  • Strategie O: "Ohne Sicherheiten", d. h. es werden keine Sicherheiten verlangt
  • Strategie M: "Mit Sicherheiten", d. h.  für jede veröffentlichte Ratingnote werden Sicherheiten verlangt.


Mit den Strategien beider Spieler lassen sich insgesamt vier mögliche Strategiekombinationen bilden. Um die optimale Strategiekombination für beide Spieler zu bestimmen, muss für jeden Spieler eine Rangordnung dieser Strategiekombinationen angegeben werden. Dabei sind die Zielsetzungen jedes Spielers zu berücksichtigen: Für den Kontroller sind dies das Vertrauen auf dem Markt und die Zuverlässigkeit der  Ratingnoten/Informationen. Für den Emittent sind es die Vorteile aus der Rating-Veröffentlichung. Jeder Spieler hat seine individuelle Rangordnung. Dabei werden die besten Kombinationen mit (1), die schlechtesten mit (4) klassifiziert:

Für den Emittent (Spieler 1) ist die Strategie des Kontrollers "ohne Sicherheiten" (O) besser als  die Strategie "mit Sicherheiten" (M). Die Wahl zwischen A und V hängt folgendermaßen von der Aktion des Gegners ab:

  1. O / V: Falls der Kontroller die Strategie "ohne Sicherheiten" wählt, ist für den Emittent "Verschweigen" besser als "alles Offenlegen", da es für das Verschweigen es keine Strafe gibt.
  2. O/ A: Falls der Kontroller die Strategie "ohne Sicherheiten" wählt, ist für den Emittent "alles Offenlegen" schlechter als "Verschweigen". Die Strategie (A) ist in dem Fall suboptimal.
  3. M / A: Falls der Kontroller die Strategie "mit Sicherheiten" wählt, ist für den Emittent "alles Offenlegen" besser als "Verschweigen", da es für das Verschweigen eine harte Strafe gibt.
  4. M / V: Falls der Kontroller die Strategie "mit Sicherheiten" wählt, ist für den Emittent "Verschweigen" schlechter als alles "alles Offenlegen". Die Strategie (V) führt in diesem Fall zu einer harten Strafe.


Für den Kontroller (Spieler 2) ist die Strategie des Emittenten "alles Offenlegen" (A) besser als die Strategie "Verschweigen" (V); seine Wahl hängt wie oben von der Aktion des Gegenspielers ab:

  1. A / O: Falls der Emittent die Strategie "alles Offenlegen" wählt, ist es für den Kontroller besser, die Strategie "ohne Sicherheiten" zu wählen, da die Strategie (O) mit keinem Aufwand verbunden ist.
  2. A / M: Falls der Emittent die Strategie "alles Offenlegen" wählt, ist es für den Kontroller schlechter, die Strategie "mit Sicherheiten" zu wählen.
  3. V / M: Falls der Emittent die Strategie "Verschweigen" wählt, ist es für den Kontroller besser, die Strategie "mit Sicherheiten" zu wählen, da die Strategie (M) den Emittent zur Offenlegung der Informationen zwingt.
  4. V / O: Falls der Emittent die Strategie "Verschweigen" wählt, ist es für den Kontroller schlechter, die Strategie "ohne Sicherheiten" zu wählen.


Die vier Strategien (A, V, O, M) und die entsprechenden Bewertungen definieren eine 2x2 Spielmatrix (vgl. Tabelle 1). In jedem Feld der Matrix stehen zwei Ordnungszahlen. Die erste Zahl gilt für Spieler 1, die zweite für Spieler 2. Die Pfeile neben den Bewertungen zeigen die Abweichung des jeweiligen Spielers von der gewählten Strategie. Vertikale Pfeile zeigen Abweichung für den Spieler 2 und horizontale für den Spieler 1.

Tabelle 1: Auszahlungsmatrix des Kontroller-Emittent-Spieles
Tabelle 1: Auszahlungsmatrix des Kontroller-Emittent-Spieles


Lösung des Spiels

Die zentrale Frage lautet nun, welche Strategiekombination gewählt wird. Das Spiel wird zuerst mit simultaner Zugreihenfolge betrachtet. Zur Lösung wird das Konzept des Nash-Gleichgewichtes eingesetzt [Vgl. Nash 1951]. Das Nash-Gleichgewicht besagt, dass nur die Strategiekombination als optimal (eben als Gleichgewicht) zu bezeichnet ist, bei der beide Spieler keinen Anreiz mehr haben, von den im Gleichgewicht gewählten Strategien abzuweichen (Nash-Bedingung). Um solche Strategiekombination(en) zu bestimmen, werden alle vier Strategiekombinationen im Kontroller-Emittent-Spiel auf die Nash-Bedingung geprüft:

  • (V; O): Gegeben die Strategie V, hat der Spieler 2 einen Anreiz, von der Strategie O zur Strategie M abzuweichen, weil dort er eine bessere Auszahlung bekommt. Also ist diese Strategiekombination kein Gleichgewicht.
  • (V; M): Gegeben die Strategie M, hat der Spieler 1 einen Anreiz, von der Strategie V zur Strategie A abzuweichen. Also ist diese Strategiekombination kein Gleichgewicht.
  • (A; M): Gegeben die Strategie A, hat der Spieler 2 einen Anreiz, von der Strategie M zur Strategie O abzuweichen. Also ist diese Strategiekombination kein Gleichgewicht.
  • (A; O): Gegeben die Strategie O, hat der Spieler 1 einen Anreiz, von der Strategie A zur Strategie V abzuweichen. Also ist diese Strategiekombination kein Gleichgewicht.


Wie aus der Auszahlungsmatrix ersichtlich ist, existiert bei der simultanen Zugreihenfolge kein Nash-Gleichgewicht bei den reinen Strategien. Somit ist die Frage berechtigt, ob die simultane Zugreihenfolge plausibel ist. Die Antwort lautet "Nein“. Vielmehr ist in diesem Fall eine sequentielle Zugreihenfolge zu berücksichtigen und zwar anhand folgender Überlegungen: Der Spieler 2 ist der staatliche Kontroller. Er macht den ersten Zug, die anderen Spieler folgen. Somit wird ein einfaches Spiel vom Typ "Leader-Follower" realisiert. Um dem Spiel das Muster "Leader-Follower" zu geben, wird eine sequentielle Zugreihenfolge eingeführt: Den ersten Zug macht der Kontroller (Spieler 2: Leader), den zweiten Zug macht der Emittent (Spieler 1: Follower). Spiele mit sequentieller Zugreihenfolge sind anhand der extensiven Spielform zu lösen. Diese ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Kontroller-Emittent-Spiel in extensiver Form 
Abbildung 1: Kontroller-Emittent-Spiel in extensiver Form

Die Lösung lässt sich aus Abbildung 1 folgendermaßen ableiten. Der Spieler 2 ist zuerst am Zug und entscheidet zwischen Strategien O und M. Dabei muss er bei jeder gewählten Strategie auch die späteren Entscheidungen von Spieler 1 berücksichtigen. Falls Spieler 2 die Strategie O wählt, wird Spieler 1 seine Strategie V wählen, weil in seiner Rangordnung trivialer Weise die Bewertung (1) besser als die Bewertung (2) ist. Dadurch bekommt aber Spieler 2 die schlechteste Auszahlung (4). Falls Spieler 2 die Strategie M wählt, wird Spieler 1 seine Strategie A wählen, da in seiner Rangordnung (3) besser ist als (4). Hier wird Spieler 2 die Auszahlung (2) bekommen. Jetzt vergleicht Spieler 2 die mögliche Auszahlungen in beiden Fällen: (2) ist besser als (4). Somit ist klar, dass Spieler 2 die Strategie M spielen soll, um seinen Nutzen zu maximieren. Der Spieler 1 ist folglich an der Wahl zwischen den Auszahlungen (3) und (4) gebunden. Seine Entscheidung ist klar – er wählt Auszahlung (3) und somit die Strategie A. Diesen Überlegungen entsprechend steht die Lösung des Spieles fest: Die Strategiekombination (A; M) = ("alles Offenlegen"; "mit Sicherheiten") ist das Nash-Gleichgewicht.

Dabei ist ein interessanter Zusammenhang zu bemerken: Laut dem Spiel haben die Emittenten in der Zeit "ohne Sicherheiten" immer einen Anreiz zu "Verschweigen", weil es dafür keine Bestrafung gibt. Das hat die Finanzkrise eindeutig und klar gezeigt. Dagegen werden in der Welt "mit Sicherheiten" die Emittenten nie "Verschweigen" wählen. Emittenten werden sogar danach streben, möglichst nah an den veröffentlichten Ratings zu bleiben, um ihre Sicherheits-Zahlung und Reputation nicht zu riskieren.

Die Höhe der Sicherheiten sollte in Abhängigkeit von dem mit der Ratingnote verbundenen  jährlichen Umsatzvolumen und von der Höhe der Ratingnote festgelegt werden: Je höher die erstellte Ratingnote und das mit dieser Note bewertete Volumen sind, desto größer sollten auch die Sicherheiten sein. Die Abweichung von erstellten Ratingnoten ist am Ende der Geltungsperiode durch die Bewertung seitens des Kontrollers festzustellen. Dieser kann auch prüfen, ob die Rating-Abweichung eventuell durch die externen Ursachen entstanden ist und entscheiden, ob der Emittent die Verantwortung dafür zu tragen hat. Diese Bewertung kann beispielsweise durch einen Soll-Ist-Vergleich geschehen, durch den die wirtschaftlichen Kernwerte des Emittenten am Anfang und am Ende der Rating-Geltungsperiode gemessen und miteinander verglichen werden. Dieser Vergleich könnte beispielsweise  durch eine Wirtschaftsprüfungsprüfungsgesellschaft erfolgen, wozu der Emittent ja ohnehin verpflichtet ist. Als unabhängiger Prüfer könnte allerdings auch eine staatliche Ratingagentur fungieren [Vgl. Schäfer 2010, S. 208].

Durch die beschriebenen Mechanismen wird die Verantwortung für die erstellten Ratingnoten auf die Seite des Emittenten verlagert. Folglich wird der Emittent stark daran interessiert sein, die vollständigen und zuverlässigen Informationen für die Rating-Erstellung zu liefern und die Richtigkeit der erstellten Ratingnote zu kontrollieren. Daraus folgt, dass in der Welt "mit Sicherheiten" nur die Ratingagenturen überleben werden, die in Zusammenarbeit mit den Emittenten wirklich realistische Ratingnoten erstellt haben.

Fazit

Die aktuelle Finanzkrise hat gezeigt, dass Ratingagenturen (unabhängig von ihrer Größe) ähnlich hilflos agieren wie alle anderen Marktteilnehmer. Viele Kritiker der Agenturen vergessen dabei allerdings, dass auch Ratingagenturen Informations-Outsider sind und auf die korrekten Angaben der Emittenten angewiesen sind. Somit tragen auch die Emittenten eine große Verantwortung. Sie sollten ihre Informations-Insider-Stellung nicht zur Lasten des Finanzmarktes ausnutzen.

Trotz der großen Kritik bleiben Ratings die einzigen  Instrumente auf dem Finanzmarkt, welche die Informations-Lücke schließen können. Folgende Frage wurde behandelt: Wie können diese Instrumente sicher und zuverlässig eingesetzt werden, um Finanzkrisen in der Zukunft abzuwenden? Die Antwort ist: Die Verantwortung für die veröffentlichen Ratings soll den Emittenten zugewiesen werden. Als Nebenergebnis würden auch andere Probleme gelöst: Der fast völlig fehlende Wettbewerb auf dem Ratingmarkt würde intensiviert, die Informationsasymmetrie würde schrumpfen und das Vertrauen auf dem Finanzmarkt würde wiederhergestellt. Das Rating sollte sich zum wirklich zuverlässigen Entscheidungsinstrument entwickeln und nicht Werbung für dubiose Wertpapiere bleiben.


Quellenverzeichnis:

Akerlof, G. (1970): The Market for "Lemons": Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in Quarterly Journal of Economics, Vol. 84 (1970), S.488-500.

Fitch Ratings [Hrsg.] (2006): The Rating Process, New York 2006.

Holler, M.; Illing, G. (2006): Einführung in die Spieltheorie, Berlin 2006.

Nash, J. (1951): Non-cooperative Games, in: Annals of Mathematics, Vol. 54 (1951), Issue 2, S. 286-295.

Rasmusen, E. (1989): Games and Information, Blackwell, Cambridge 1989.

Rieck, C. (1993): Spieltheorie: Einführung für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Wiesbaden 1993.

Schäfer, D. (2010): Was eine neue Finanzmarktarchitektur leisten muss und was bisher erreicht ist, in: Zimmerman, K., Schäfer, D. [Hrsg.]: Finanzmärkte nach dem Flächenbrand, Wiesbaden 2010.

Schelling, T. (1970): The Strategy of Conflict, Cambridge, 1970.


Autor:

Sergey Smilyanets ist Mitarbeiter der Firma JT International in Trier.



[Bildquelle oben: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Panzerknacker /27.11.2010 23:36
Ich finde diese Aussage sehr kurz gegriffen:
"Ratingagenturen ... Sie haben eine Mitschuld, sind aber mit Sicherheiten nicht der allein schuldige Mitspieler. Schuld und Verantwortung tragen auch die Kunden der Ratingagenturen, also die Emittenten."

=> So einfach ist die Welt leider nicht, die geldgeilen Ratingagenturen tragen sehr wohl eine große Mitschuld. Mit Ihrer Argumentation würden sie sich etwas einfach aus der Verantwortung stehlen...

"Die Wahl der Strategie V ist für den Emittenten also die beste Lösung. Er kann durch sein Verschweigen die Ratingagentur teilweise täuschen. Die Ratingagentur vermutet zwar dergleichen, kann dies bei der gegebenen Informationslage aber beweisen. "

=> Sie meinen wohl "NICHT beweisen", oder?
Sergo /28.11.2010 21:59
Ich fange vom Ende an:

Ja, hier ist ein Redaktions-Fehler. Im Original steht "aber nichts beweisen". Danke!

Der Artikel wurde auch nicht auf die Ratingagenturen selbst gerichtet. Hier wurde die Mitschuld der Kunden erwähnt. Wie die Ratingagenturen das sehen, ist hier nicht der Punkt.
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