Vom guten und vom weniger guten Wachstum

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Es gibt in diesem Jahr drei Länder, die die Welt mit ihrer Wachstums-Performance überraschen. Das eine ist Japan, das nach zwei "verlorenen Jahrzehnten" wieder auf Trab kommen möchte. Das zweite ist Spanien, das eine lange Durststrecke hinter sich hat und 2014 erstmals eine Zunahme des realen Sozialprodukts erreichen wird. Das dritte ist Großbritannien, das in den letzten Monaten wie ein Phönix aus der Asche hervorkam. In zwei dieser Länder haben die Finanzmärkte mit Euphorie auf die Verbesserungen reagiert. Im dritten, nämlich Großbritannien, hat sich dagegen nichts gezeigt. Haben die Märkte hier etwas übersehen (und werden vielleicht noch reagieren), oder liegen hier unterschiedliche Verhältnisse vor?

Ich habe die USA bei dem Vergleich außen vor gelassen. Zwar weisen sie in diesem Jahr vermutlich das höchste Wachstum auf. Sie sind aber kein Überraschungskandidat. Hier läuft die Wirtschaft schon seit einiger Zeit gut. Sie war nur vorübergehend durch den Streit über den Haushalt und die Schuldenobergrenze gebremst.

Großbritannien hatte dagegen bis vor kurzem niemand auf der Rechnung. Noch im Sommer letzten Jahres hatte die Bank of England erwartet, dass die Arbeitslosenquote von damals 7,8 Prozent erst in drei Jahren auf 7 Prozent fallen würde. Stattdessen ist das bereits in sechs Monaten geschehen. So grandiose Fehlprognosen gibt es selten.

Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte in Großbritannien 2013 um 1,8 Prozent gestiegen sein. Die genauen Zahlen werden in dieser Woche bekannt gegeben. Im nächsten Jahr rechnen zahlreiche Beobachter mit einer Zunahme von 3 Prozent, vielleicht sogar mehr.

Zwei Wachstums-Champions [Quelle: IWF, 2013/2014 eigene Schätzung] 
Zwei Wachstums-Champions [Quelle: IWF, 2013/2014 eigene Schätzung]


Die Gründe für die Verbesserung liegen vor allem im Konsum und im Immobiliensektor. Die Käufe privater Haushalte nahmen trotz stagnierender Einkommen und einer nach wie vor hohen Konsumentenverschuldung stark zu. Die Sparquote ist gesunken. Der Immobilienbereich profitiert von einem Regierungsprogramm ("Help to Buy"), mit dem Hauskäufern die Kreditaufnahme durch staatliche Bürgschaften erleichtert wird. Zudem hat die Notenbank den Geschäftsbanken Refinanzierungsmittel zugesagt, geknüpft an die Bedingung, dass sie mehr Kredite geben ("Funding for Lending"). Die privaten Investitionen sind dagegen bisher noch nicht angesprungen. Der Export hat bisher leicht von der Erholung im Euroraum profitiert.

Warum sind die Märkte so zögerlich, auf die besseren gesamtwirtschaftlichen Bedingungen zu reagieren? Der Londoner FTSE hat in den letzten zwölf Monaten um 5 Prozent zugenommen, verglichen mit einem Plus von 13 Prozent in Spanien und von 39 Prozent in Japan. Die Bonds-Zinsen sind leicht angestiegen, im Wesentlichen wegen der Ankündigung des Tapering in den USA. Auf den Devisenmärkten hat sich das Pfund nur leicht erholt.

Der Grund: Es reicht offenbar nicht, dass das Wirtschaftswachstum anzieht. Die Investoren müssen auch davon überzeugt sein, dass das ein Neuanfang ist, dass die Unternehmen davon profitieren und dass die Entwicklung nachhaltig ist. Im Falle Großbritanniens bestehen hier offenbar Zweifel. Das liegt zum Teil daran, dass die Wirtschaft nach wie vor zu stark vom Finanzzentrum London und der Wirtschaft im Südosten des Landes abhängig ist. Es ist noch nicht gelungen, landesweit ein wettbewerbsfähiges Verarbeitendes Gewerbe aufzubauen, wie es sich die Regierung als Ziel gesetzt hatte. So eine Umstrukturierung dauert freilich lange. Vielleicht waren die Erwartungen hier auch zu hoch.

Die öffentlichen Haushalte sind trotz des konsequenten Sparkurses der Regierung immer noch nicht in Ordnung. Das Budgetdefizit beträgt 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Gesamtverschuldung 76 Prozent. Das liegt zum Teil an dem lange Zeit schwachen Wachstum, zum Teil aber auch an den zusätzlichen Ausgaben für die Förderung des Immobiliensektors.

Die gesamtwirtschaftliche Belebung wird die Inflation wieder anheizen. Die Produktivität wächst in Großbritannien nur langsam. Auf dem Immobiliensektor gibt es bereits erhebliche Preissteigerungen. 2014 rechnen die Beobachter hier mit einer Zunahme der Preise um 10 Prozent. Das trägt schon wieder Zeichen eines Booms in sich.

Schließlich spielen politische Unsicherheiten eine Rolle. Die Unterhauswahlen im Frühsommer 2015 werfen ihre Schatten voraus. In diesem Jahr steht das Referendum über die Abspaltung Schottlands auf dem Programm. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass es ein Erfolg für die Schotten wird. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten im Hinblick auf die Haltung Großbritanniens zur Europäischen Union. Solange man nicht weiß, ob das Land auf Dauer der Europäischen Union angehört, bremst das die Investitionen im Inland und hält Ausländer von größeren Engagements auf der Insel ab.

 

Autor: Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 




[Bildquelle: © Hedgehog - Fotolia.com]

 

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