Theorie und Praxis des Spiels um Geld zwischen Mathematik, Recht und Realität

Spiel, Zufall und Kommerz


Thomas Bronder: Spiel, Zufall und Kommerz – Theorie und Praxis des Spiels um Geld zwischen Mathematik, Recht und Realität, 313 Seiten, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-48828-7 Book Review

"Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der Alte nicht würfelt", schrieb im Jahr 1926 der Physiker Albert Einstein an seinen Berufskollegen Max Born. Die Nachwelt interpretierte daraus den bekannten Ausspruch "Gott würfelt nicht".

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass die Menschen seit jeher würfeln und dem Glücksspiel frönen. Würfelspiele sind bereits aus den letzten Jahrhunderten vor Christus sowie aus römischer Zeit überliefert. Und auch das Erscheinungsbild hat sich in den letzten Jahrtausenden offenbar kaum gewandelt, dass heißt der Würfel hat häufig sechs Seiten, jede Seite ist mit Augen versehen und die Summe der Augen auf den einander gegenüberliegenden Flächen ergibt in der Regel immer sieben. Einige der älteren, ausgefallenen Würfeltypen sind im hohen und späten Mittelalter schon nicht mehr gebräuchlich, andere entsprechen ziemlich exakt den heute gängigen Typen.

Fakt ist auch, dass die Ursprünge der modernen Risiko- und Wahrscheinlichkeitstheorie sehr eng verbunden sind mit dem seit Jahrtausenden bekannten Glücksspiel. Bereits seit Menschengedenken haben Menschen Glücksspiele gespielt, ohne von den Systemen der Risiko- und Chancenverteilung zu wissen oder von der dahinter stehenden Mathematik oder Wahrscheinlichkeitsrechnung beeinflusst zu sein. Das Glücksspiel war und ist direkt mit dem Schicksal verknüpft. Das Glückspiel ist quasi der Inbegriff eines bewusst eingegangenen Risikos. So kann man beispielsweise in dem dreitausend Jahre alten hinduistischen Werk Mahabharata  lesen, dass ein fanatischer Würfelspieler sich selbst aufs Spiel setzte, nachdem er schon seinen gesamten Besitz verloren hatte. Parallel zur Entwicklung des Glücksspiels stehen auch die Versuche, gegen das Glücksspiel anzukämpfen. Im antiken Sparta beispielsweise wurde das Würfelspiel verboten, und im Römischen Reich war der Einsatz von Geld bei Würfelspielen untersagt. Nach Überlieferungen des römischen Senators und Historikers Publius (oder Gaius) Cornelius Tacitus spielten vor allem die Germanen mit äußerstem Leichtsinn um Haus und Hof, zuletzt gar um die eigene Freiheit. Im Jahr 813 schloss das Mainzer Konzil all jene von der Kommunion aus, die dem Glücksspiel anhingen. Ludwig IX. verbot 1254 sogar die Herstellung von Würfeln. Und auch hier hat sich seit damals nur wenig verändert: Auch heute noch reglementiert der Staat das Glücksspiel, verdient aber gleichzeitig kräftig am Glücksspiel mit. Glücksspiele unterliegen auch heute gesetzlichen Regelungen, Geschicklichkeitsspiele grundsätzlich nicht. Nach dem Strafrecht riskiert derjenige eine Freiheits- oder Geldstrafe, der öffentlich ein nicht erlaubtes Glücksspiel veranstaltet.

Es ist Tatsache, dass die Beschäftigung mit unterschiedlichen Spielen – Gesellschaftsspielen oder auch Glücksspielen – neue Bereiche der Mathematik befruchtet hat. Als Pioniere bei der Entdeckung der Wahrscheinlichkeitsgesetze gelten der italienische Philosoph, Arzt und Mathematiker Geronimo Cardano und der italienischer Mathematiker, Physiker, Astronom und Philosoph Galileo Galilei Cardano untersuchte im 16. Jahrhundert in seinem Buch "Liber de Ludo Aleae" systematisch die Möglichkeiten des Würfelspiels mit mehreren Würfeln. Vom 15. bis ins 18. Jahrhundert haben verschiedene Gelehrte (beispielsweise Blaise Pascal, Chevalier de Méré, Jakob Bernoulli, Abraham de Moivre, Thomas Bayes, Johann Carl Friedrich Gauß) die Werkzeuge und Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung verfeinert und systematisiert.

Das Buch "Spiel, Zufall und Kommerz" von Thomas Bronder, promovierter Physiker und Mathematiker und über 15 Jahre lang Leiter der Gruppe "Spielgeräte" an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, ist in vier Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen und überblickartigen Einführung beschreibt das zweite Kapitel "Das Spiel" Spiele und ihre Eigenschaften von der Historie bis zum Nullsummenspiel. Dabei werden Parallelen zwischen mathematischen und rechtlichen Erkenntnissen vom Geschicklichkeits- bis zum Glücksspiel aufgezeigt und schließlich Einteilungskriterien auf den Grundlagen rechtlicher und spieltheoretischer Definitionen dargestellt, die auch auf gemischte oder als Turnier ausgetragene Spiele anwendbar sind. Das Kapitel ist  angenehm zu lesen und liefert viele kleine Geschichten und ist vollgepackt mit spannenden Facetten aus der Welt des Spiels.

Spiel, Zufall, Wahrscheinlichkeit und Glücksspiel – alle diese Worte beinhalten komplizierte Aspekte und werden in der Alltagssprache häufig anders angewendet als in einem mathematischen oder spieltheoretischen Kontext. Daher geht das dritte Kapitel "Der Zufall" auf den Begriff des (reinen) Zufalls näher ein (und beschreibt den Unterschied zwischen einem absoluten und relativen Zufall. Neben der Definition des Begriffes wird die Erzeugung und Nutzung des Zufalls im Glücks- und Gesellschaftsspiel dargestellt. Theoretische Wahrscheinlichkeiten und erfassbare Häufigkeiten sowie die Wirkung des Gesetzes der großen Zahl(en) spielen in Glücksspielen eine wesentliche Rolle. Es wird gezeigt, wie zufällige Irrfahrten langer Spielfolgen verlaufen, wann spätestens der sichere Verlust des Spielers bzw. sichere Einnahmen des Veranstalters eintreten, und welche allgemeinen Parameter die Wirkungen des Glücksspiels kennzeichnen.

Im vierten Abschnitt "Der Kommerz" lernen die Leser die Konstruktion von Spielen kennen und die Bedingungen und Grenzen, unter denen sich ihre kommerzielle Veranstaltung lohnt. Es geht um Fragen der Wirtschaftlichkeit von Zufalls- und Geschicklichkeitsspielen, um das Buchmachen beim Wetten und erfolglose Gewinnsysteme genauso wie um Betrug und Manipulation. Vom Glück zum Pech werden Verlusttempo und Verlustkreislauf beschrieben und die manchmal starken Schwankungen von Kasseneinnahmen, die auch den Veranstalter eines Glücksspiels mal verlieren lassen können. Sogar Spielbanken können unwirtschaftlich sein, wenn gewisse Bedingungen nicht eingehalten sind, so der Autor in seinen Ausführungen.

Das Fazit: Das Buch "Spiel, Zufall und Kommerz" bietet eine unterhaltsame, fundierte und umfassende Darstellung der Grundlagen des kommerziellen Spielwesens und zeichnet hierbei die vielfältigen historischen Entwicklungen anhand diverser Beispiele nach. Auf der Reise in die spannende Welt des Glücksspiels werden die wichtigen Zusammenhänge zwischen Mathematik, Technik, Recht und kommerziellen Aspekten dargelegt.

Der Autor liefert klare Antworten auf wichtige Fragen, etwa: Was bedeuten Chance, Risiko, Gewinnerwartung, Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit? Was ist Zufall und was ist Chancengleichheit? Wie werden "rein zufällige" Spielergebnisse eigentlich erzeugt? Kann der Zufall gesteuert werden? Können Zufall und Betrug auseinandergehalten werden? Kann ein Sollwert der Auszahlungsquote geprüft werden? Wie wird ein Gewinnplan konstruiert? Was bedeutet das Totalisatorprinzip, und worüber führt der Buchmacher Buch? Welchen Erfolg haben Systemspieler? In welchem Tempo wird im Gewinnspiel verloren?

Das Buch liefert auch Risikomanagern eine solide Einführung in die Welt der Chancen und Risiken und die spannende Welt der Hazardspiele. Nach der Lektüre werden einige Leser Begrifflichkeiten exakter verwenden (beispielsweise Zufall oder Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit).

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