"Risiko", etymologisch die "Klippe, die es zu umschiffen gilt", ist ein Thema, welches allzu oft missverstanden wurde, und welches durch die Lektüre der zum Standardwerk avancierten Kurzeinführung zugänglicher gemacht wird. Wer schon immer wissen wollte was Platons Höhlengleichnis mit Risikomanagement zu tun hat, wofür "individuelle Führungsverantwortung" "gut" ist, wieso Finanzmärkte ein Milieu für "nervöse Frösche" bilden oder warum moralische Verfehlungen zu Risiken mit oft desaströsen Ergebnissen führen können, ist mit diesem Buch als Ratgeber gut beraten. Das Buch ermuntert dazu, sich selbst "den Spiegel vorzuhalten". Denn wie oft wurden Risiken ausgeblendet, falsch eingeschätzt oder mit diesen falsch umgegangen. Als Nachschlagewerk dienlich versammelt es daher eine Fülle lehrreicher Beispiele, verständlicher Metaphern, kluger Analogien und pointierter Belehrungen zu typischen und weniger typischen Problemen um das und mit dem Risikomanagement und wie es besser gemacht werden kann. Aber nicht nur im Management verhilft der darin skizzierte Durchblick dazu wieder den "Wald" vor lauter moderner Technologien, Methoden und Regelwerken zu sehen. Das Buch verspricht durch die Aufmachung auch allen anderen, die mit Risiken verschiedenster Art konfrontiert sind, eine solide Ausgangsbasis, sowie der gesamten Leserschaft Unterhaltung, Horizonterweiterung und ein Grundinventar für mehr "Risikokompetenz".
Zur Vermittlung des besseren Verständnisses wurde das Rahmenkonzept der Seefahrt gewählt. In den kurzen und die jeweiligen Kapitel des Buches einleitenden Episoden werden die beiden Seefahrer Henry Salt und Charly Sugar in humoristischer und besonders überzeichnender Kontrastierung beschrieben, um mit den Mythen, Märchen und Legenden rund um das Thema Risiko und Risikomanagement aufzuräumen. An der Figur des an chronischer Fahrlässigkeit und Selbstüberschätzung leidenden Seefahrers Salt werden die diversen Fehler nachgezeichnet, die durch ein fehlendes Risikomanagement provoziert werden. In ihren Illustrationen gönnen sich die Autoren quer durch das Buch eine kräftige Portion Narrenfreiheit um auf diverse Übertreibungen und Entartungen aufmerksam zu machen. Gerade die künstlerische Hervorhebung soll die Realität erahnen lassen und verführt so stillschweigend zu mehr Realitätssinn.
Und selbstverständlich wird auch der Risikobegriff erkenntnistheoretisch thematisiert: Nach den Autoren ein Konstrukt, dessen Konstruktionscharakter bedingt ist durch die jeweiligen Methoden, die angewendet werden. Schon von hier aus ergeben sich die ersten interpretatorischen Schwierigkeiten, was nach den Autoren durch die zweidimensionale Formel noch verschärft wird, die zwar Klarheit suggeriert, aber Übersimplifizierung liefert. Denn viele Risiken lassen sich damit gar nicht erfassen, schon gar nicht abbilden, was häufig zu zwei Reaktionen führt: Risikomanagement als sinnlos anzusehen ("Es kommt wie es kommt") oder Risiken durch erhöhte und damit leider selbst fehleranfällige Modellkomplexität oder übertriebene Methodenkombination zu erfassen. Die Autoren präsentieren als einen pragmatischen Ausweg den ebenfalls vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) gewählten Ansatz der Einschätzung von Risiken nach Risikoklassen, wofür Figuren aus der griechischen Mythologie als Namensgeber fungieren. Die Kernbotschaft der Autoren wird jedoch bis zum Ende der Lektüre durchgehalten, um die verschiedenen Facetten an verschiedenen Stellen zu beleuchten, wonach das wichtigste Fundament eines gelungenen Risikomanagements eine praktizierte Risikokultur ist, und deren Realisierung eindrücklich an dem Vorbild der Figur "Sugar" demonstriert wird. An mehreren Beispielen verdeutlichen die Autoren die Rolle der Risikokultur, etwa im Zusammenhang mit dem Aufbau des eigentlichen Kapitals jeden Unternehmens, dem ehrlich erworbenen Vertrauen der Kunden, oder als Antwort auf Risiken diverser technologischer Neuentwicklungen, die forciert werden.
Diese Kernbotschaft gewinnt gerade im Zuge der Krisen der letzten Jahre an Bedeutung und das Buch kann als "Kassandraruf" zu einem präventiven Risikomanagement verstanden werden. In erweiterter Perspektive ist es daher auch als Handbuch für die nähere Zukunft bedeutsam, denn "business as usual" ist keine Option mehr, wie eine Vielzahl aktueller Entwicklungen erkennen lässt. Risikomanagement sollte nicht primär auf reaktive Schadensbegrenzung zielen, sondern auf proaktive Gestaltung. Die Trends der Zukunft werden unweigerlich durch mehr "Umweltbewusstsein" und "soziale Verantwortung" bestimmt werden, das kündigen zumindest die "schwachen Signale" erster Erfolge wie "Fairphone", "Ökostrom", plastikfreie Verpackungen, Naturkosmetik, vegetarische und regionale Speisevielfalt etc. an, was zugleich eine Option ist mit Reputationsrisiken umzugehen. Für solche Trends stellt nicht nur das Pariser Klimaabkommen eine Weichenstellung, sondern auch die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, so etwa des Stockholm Resilience Centre. Wir können noch heute gestützt durch ein präventives Risikomanagement proaktiv gestalten und jene Umweltrisiken adressieren, die in Zukunft mit höchster Wahrscheinlichkeit gravierendste Auswirkungen haben werden, oder morgen von diesen überwältigt irgendwie Schadensbegrenzung betreiben. Dies findet sich zumindest auch nach der mythologisch gefärbten Risikoklassifikation in der Beschreibung der Autoren bestätigt, doch lesen Sie Sie selbst.
Autor:
Robert Brunnhuber, Human and Global Development Research Institute (DRI)