Die Bilanztrickser – Wie Unternehmen ihre Zahlen frisieren und den Anleger täuschen


Rezension

Information und Transparenz sind wohl unbestritten die grundlegendsten Bausteine eines wirkungsvollen Risikomanagements. Die Zeiten, in denen man den Zahlenwerken der Unternehmen blind vertraute, dürften jedoch spätestens seit den Skandalen um Enron, Tyco, WorldCom etc. vorbei sein. Viele Manager, Mitarbeiter und Anleger mussten schmerzhaft erfahren, dass die Jahresabschlüsse einiger Unternehmen wesentlich mehr versprachen, als die Realität halten konnte. Will man die Vergangenheit in Bilanz und GuV verklären, sind hierzu allerdings nicht unbedingt kriminelle Energie oder illegale Manipulationen erforderlich. Vielmehr eröffnen schon die geltenden Bilanzvorschriften vielfältige Spielräume, die einige Unternehmen dann auch weidlich nutzen, um ihre Mitarbeiter, Aktionäre und Gläubiger zu täuschen – wohlgemerkt, ohne jemals den sicheren Boden des Gesetzes zu verlassen.

In dem vorliegenden Werk beschreibt Christof Schürmann die wesentlichen Grauzonen des Bilanzrechts, die es einem Unternehmen erlauben, seine Gewinne (bzw. das, was der Öffentlichkeit als "Gewinn" verkauft wird) quasi nach eigenem Gutdünken auf ein angemessen erscheinendes Niveau zu hieven.

Um dem Leser die beliebtesten Tricks und Kniffe näher zu bringen, vermittelt der Autor im ersten Teil grundlegende Kenntnisse der Bilanzierung und des Bilanzrechts, wobei auch die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Regelwerken (HGB, US-GAAP, IAS) herausgearbeitet werden. Darüber hinaus erfolgt eine detaillierte Darstellung derjenigen Bilanzpositionen (z. B. Pensionsverpflichtungen, Aktienoptionen oder diverse als "einmalig" definierte Aufwandspositionen), die sich besonders gut als "Stellschrauben" eignen, um die ausgewiesenen Gewinne rosiger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

Insgesamt hinterlässt dieser Einführungsteil einen etwas zwiespältigen Eindruck: Sicherlich ist es begrüßenswert, wenn der Autor die grundlegendsten Zusammenhänge der Materie auch für blutige Laien verständlich erklärt. Diejenigen Leser, die bereits über BWL-Grundwissen verfügen, verleiten die (mitunter etwas zu ausführlichen) Darstellung allerdings dazu, weite Teile des ersten Kapitels zu überblättern, wodurch dann auch einige – durchaus interessante und aktuelle – Informationen für Fortgeschrittene verloren gehen. Es wäre daher sinnvoll gewesen, dem ersten Teil des Buchs eine etwas klarere Struktur zu geben (beispielsweise durch einen eigenen Gliederungspunkt für die "Basics" oder entsprechende Hinweise am Seitenrand).

Immerhin dürften auch Einsteiger nach der Lektüre des Grundlagenteils in der Lage sein, den zweiten Teil des Buches problemlos nachzuvollziehen. Hier zeigt der Autor an einer Fülle von realen Fallbeispielen (von Amazon über die Deutsche Telekom und Nokia bis hin zu Yahoo), wie Unternehmen die zuvor beschriebenen Bilanzspielräume (völlig legal) nutzen und dadurch ihre Stakeholder täuschen. Dieser Teil des Buches kann als wirklich gut gelungen bezeichnet werden, da er deutlich macht, in welchem Ausmaß sich ein Unternehmen reich oder arm rechnen kann, in dem es die Aktienoptionen der Mitarbeiter als Personalkosten ausweist (oder eben nicht), "angemessene" Zinssätze für die Bewertung seiner Pensionsverpflichtungen definiert, oder zahlreiche Aufwendungen als "außerordentlich" deklariert, so dass als (veröffentlichtes) Unternehmensergebnis beeindruckende "pro forma"-Earnings übrig bleiben, die im Wesentlichen aber nur noch den "Gewinn vor Abzug aller Kosten" ausweisen.

Durch die Demonstration der vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten anhand von anschaulichen Praxisbeispielen gelingt es dem Autor auch, den Leser für bestimmte "Warnsignale" zu sensibilisieren (z. B. die Veränderung bestimmter Bilanzpositionen bzw. Bilanzrelationen oder der Wechsel der Bilanzierungsmethode). Diese Hinweise können einem Investor, der sich die Mühe macht, in die Jahresabschlüsse "seines" Unternehmens zu blicken, durchaus helfen, eine eventuelle Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation zu erkennen, bevor sie sich im ausgewiesenen Ergebnis niederschlägt. Dabei wäre es allerdings wünschenswert gewesen, wenn die einzelnen Punkte noch einmal abschließend (etwa in Form einer Art "Checkliste") zusammengefasst worden wären.

Insgesamt ist das vorliegende Buch durchaus lesenswert. Auch wenn der betriebswirtschaftlich beleckte Leser im ersten Abschnitt nicht viel Neues erfahren dürfte, erhält er insbesondere durch die zahlreichen Fallstudien im zweiten Teil interessante Einblicke in die vielfältigen Möglichkeiten der legalen Bilanzmanipulation.

Rezension von Dr. Roland Franz Erben

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