Interkulturelle Betrachtungen zwischen Deutschland, Österreich und der Türkei

Risikomanagement in Unternehmen


Rezension

Risikomanagement umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens im Umgang mit der nicht sicher vorhersehbaren Zukunft. Die Fähigkeit Chancen und Gefahren (Risiken) adäquat abzuwägen, ist ein zentraler Erfolgsfaktor des unternehmerischen Erfolgs. Der Erfolg eines Unternehmens hängt nämlich wesentlich von der Qualität der Entscheidungen der Unternehmensführung ab – und bei einer nicht sicher vorhersehbaren Zukunft erfordert die fundierte Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen ein Abwägen erwarteter Erträge mit Risiken. Aus ökonomischer Perspektive werden Risiken – als Überbegriff zu Chancen und Gefahren – als Möglichkeit der Abweichung von Planwerten aufgefasst. Die Aufgabe des Risikomanagements besteht dabei zunächst in einer adäquaten Risikoanalyse und Risikoaggregation als notwendige Voraussetzung für eine Optimierung der Risikobewältigung und die Bereitstellung adäquater Informationen für risikogerechte Entscheidungen der Unternehmensführung.

Obwohl die Anforderungen an das Risikomanagement in Unternehmen weltweit sowohl in etablierten Industrieländern wie Deutschland oder Österreich als auch Ländern der Emerging Markets wie der Türkei sehr ähnlich sind, zeigen sich doch graduelle Abweichungen. Der Hintergrund hierfür ist vielschichtig: Kulturelle Unterschiede, Branchenspezifikas oder das Rechtssystem spielen ebenso eine Rolle wie die Einbindung in supranationale Staatenbünde wie der Europäischen Union.

Das Sammelwerk "Risikomanagement in Unternehmen – Interkulturelle Betrachtungen zwischen Deutschland, Österreich und der Türkei" fokussiert auf die verschiedenen Facetten des modernen Risikomanagement in Deutschland, Österreich und der Türkei. Im Vordergrund steht dabei die Vorstellung und Diskussion von zeitgemäßen Instrumenten des Risikomanagements ebenso wie das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

Trotz dieser Tatsache sind bei türkischen, aber auch bei deutschen und österreichischen Unternehmen Mängel im Bereich des Risikomanagements erkennbar. Neben noch nicht ausreichend entwickelten beziehungsweise eingeführten Risikomess-, -steuerungs- und -controllinginstrumenten zeigen diesbezügliche Untersuchungen, dass Defizite im Hinblick auf die Integration von Risikomanagementsystemen und insbesondere ein fehlendes Risikobewusstsein beziehungsweise eine nicht gelebte Risikokultur ursächlich sind. Hintergrund hierfür ist, dass unternehmerische Risiken von Entscheidungsträgern vielfach aufgrund der Sozialisierung und dem Selbstverständnis als Unternehmer bewusst ausgeblendet werden. Von der Problematik sind auch deutsch-türkische Unternehmen betroffen.

Um die Defizite abzubauen und ein breites Verständnis für die Notwendigkeit von Risikomanagement als wesentlichem Bestandteil der Unternehmensführung zu entwickeln, beinhaltet der Sammelband Artikel namhafter Wissenschaftler zu Teilgebieten des unternehmensbezogenen Risikomanagements. Ziel des Buches ist es, so die Autoren in ihrem Vorwort, Wissenschaft und Vertretern der Unternehmenspraxis den Status Quo und die Entwicklungstendenzen des unternehmerischen Risikomanagements näher zu bringen. Das Buch richtet sich gleichermaßen an Vertreter der Unternehmenspraxis und der Verbände, Wissenschaftler und Studierende.

Unzureichendes beziehungsweise fehlendes Risikomanagement sind eine Ursache dafür, aber auch eine Folge davon, dass Entscheidungen von dem/den Unternehmenseigentümer(n) situativ und ohne ausreichende Fundierung "aus dem Bauch" heraus getroffen werden, so die Herausgeber in ihrer Einleitung. Dieser Umstand hängt auch mit der nicht nur bei kleinen Unternehmen häufig anzutreffenden Konzentrierung und Zentrierung der gesamten Unternehmensführung auf den oder die Eigentümer zusammen. So haben erfolgreiche Unternehmer vielfach das Unternehmen selbst gegründet oder aber stark expandiert, ohne die Führungsstrukturen an die wachsende Unternehmensgröße anzupassen.

Im Buch werden Teilbereiche des Risikomanagements beleuchtet und aktuelle Forschungsansätze in Deutschland, Österreich und der Türkei präsentiert. Dies geschieht aus dem Blickwinkel der jeweiligen kulturellen Einbettung der Autoren. Da zumeist Beiträge aus unterschiedlicher Perspektive zu einem verwandten Thema präsentiert werden, lassen sich unterschiedliche Sichtweisen und Blickwinkel erkennen. Zum Teil wird zudem der Versuch unternommen, Entwicklungen in Bezug auf Teilaspekte des Risikomanagements in den Ländern zu vergleichen und zu analysieren. Grundsätzlich gliedert sich das Buch in zwei Teilbereiche: Grundlagen und finanzwirtschaftliches Risikomanagement sowie leistungswirtschaftliches Risikomanagement.

Die ersten drei Beiträge im Bereich finanzwirtschaftliches Risikomanagement befassen sich mit regulatorischen Grundlagen für das Risikomanagement: Metin Sagmanlı und Cağla Ersen Cömert geben in ihrem Beitrag "Gesetzlichen Regelungen zum Risikomanagement in Deutschland, Österreich und in der Türkei – Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf ein effektives Risikomanagementsystem" einen Überblick über die Entwicklung der gesetzlichen Anforderungen an ein Risikomanagement in den drei im Fokus stehenden Ländern. Hierbei wird herausgestellt, dass es trotz eine großen Ähnlichkeit sowohl inhaltliche Divergenzen und zudem auch zeitliche Abweichungen gibt. Ismail Ergün, Stefan Müller und Lena Panzer vertiefen in ihrem Beitrag "Risikoberichterstattung im deutschen Rechnungslegungsrecht" die gesetzlichen Anforderungen zur Risikoberichterstattung sowie deren Konkretisierungen durch DRS 20, die deutsche Unternehmen in Bezug auf die Risikoberichterstattung im Lagebericht erfüllen müssen. Dabei werden im Rahmen der Diskussion der elementaren Anforderungen an entsprechenden Stellen Best-Practice-Beispiele aus der deutschen Unternehmenspraxis gegeben. Der Bereich wird abgeschlossen mit dem Beitrag von Thomas M. Brunner-Kirchmair und Helmut Pernsteiner zum Thema "Finanz-Risikomanagement von Familienunternehmen", der der Frage nachgeht, inwieweit sich das Risikomanagement von Familienunternehmen im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen unterscheidet.

Die folgenden drei Beiträge fokussieren finanzielle Einzelrisiken, die in den letzten Jahren stark besonders in den Fokus gerückt sind: Stephan Schöning beleuchtet in seinem Beitrag "Liquiditätsrisikomanagement in Unternehmen mit dem Liquidity at Risk Ansatz" die Möglichkeit, einen für die Kreditwirtschaft vorgestelltes Risikomanagementinstrument so zu adaptieren, dass er auch in nicht-finanziellen Unternehmen eingesetzt werden kann. Frank Romeike beschäftigt sich im Beitrag "Management von Rohstoffrisiken" mit den Herausforderungen, denen rohstoffverarbeitende Unternehmen konfrontiert sind und stellt geeignete Verfahren zur Identifizierung, Messung und Steuerung dieser Risikokategorie vor. Abschließend betrachten Christian Oppl und Lisbeth Lorenz im Rahmen ihres Beitrags "Unternehmerisches Risikomanagement und Versicherung – Darstellung der Interdependenzen am Beispiel des Kredit-Risikomanagement" die Notwendigkeit, auch der Verbindung zum operationalen Risiko ausreichend Beachtung zu schenken.

Die beiden abschließenden Beiträge zum Bereich des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements beschäftigen sich mit Aspekten der Unternehmensbewertung. Reinhold Hölscher und Nils Helms stellen in ihrem Beitrag "Die Abbildung unternehmerischer Risiken im Unternehmensbewertungskalkül" heraus, dass der gewählte Modellrahmen – betrachtet werden kapitalmarkttheoretische Ansätzen und individualistischen, subjektiven Verfahren – und das damit verbundene Risikoverständnis bei der Abbildung des Unternehmensrisikos im Unternehmensbewertungskalkül eine entscheidende Bedeutung zukommt. Mert Erer gibt in seinem Beitrag "Risikomanagement bei Unternehmensfusionen und -übernahmen" ein Überblick über Risiken aus Sicht von Käufer und Verkäufer bei Fusionen und Übernahmen und präsentiert Lösungsansätze für die Verminderung von Risiken.

Der zweite Teil des Buches umfasst Beiträge, die dem leistungswirtschaftlichen Bereich des Unternehmens zuzuordnen sind.
Die ersten drei Beiträge beschäftigen sich mit organisationsbezogenen Fragestellungen: Dilek Zamantılı Nayır und Ömer Turunç stellen in ihrem Beitrag "Gibt es eine Beziehung zwischen Organisationskultur und Risikovorkehrungen? Eine Studie in türkischen Unternehmen" die Ergebnisse einer empirischen Studie für Unternehmen in Istanbul vor, mit der sie untersuchen, ob und in welcher Richtung es eine Beziehung zwischen Organisationskultur und Risikovorkehrungen gibt. A. Bahar Ceritoğlu zeigt in ihrem Beitrag "Risikomanagement in Lieferketten − Supply Chain Risikomanagement" die Risikoarten auf, die in der Supply Chain entstehen können. Hierauf aufbauend wird der auf diese Risikoarten bezogene Risikomanagementprozess behandelt, welcher von großer Bedeutung für die Gewährleistung der nachhaltigen Unternehmensentwicklung ist. Anschließend beschäftigen sich Ernst Troßmann und Alexander Baumeister mit den "Besonderheiten des Risikomanagements bei Auftragsfertigung". Da die Spezifität der jeweiligen auftragsbezogenen Risikosituation vielfach sehr hoch ist, lassen sich gebräuchliche Standardinstrumente des Risikomanagements hierbei oftmals nicht einsetzen. Dementsprechend wird ein Ansatz präsentiert, der auf auftragsspezifische Risiken fokussiert und auch länderspezifische Risiken oder solche, die aus kulturellen Unterschieden der Auftragsparteien und besonderen Bedingungen des Auslieferungslandes im Exportfall berücksichtigen kann.

Die nächsten drei Beiträge fokussieren personalwirtschaftliches Risikomanagement: Handan Sümer Göğüş und Zeynep Demir Sanal geben in ihrem Beitrag "Risikoorientiertes Personalmanagement" einen Überblick über die personalabteilungsspezifischen Risiken und behandeln anschließend den bewussten Umgang mit diesen Risiken in den vier Hauptbereichen – Vergütungsmanagement, Karrieremanagement, Rekrutierung und Ausbildung. Markus Stiglbauer zeigt in seinem Beitrag "Risikomanagement im Internationalen Human Resource Management" zunächst die Unterschiede zwischen Human Resource und Internationalem Human Resource Management heraus. Hierauf aufbauend werden die Risiken im Human Resource und Internationalen Human Resource Management thematisiert und Managementansätze für ausgewählte spezifische Risiken im Internationalen Human Resource Management präsentiert. Sven Cravotta betrachtet in seinem Beitrag "Risikomerkmale von Fremdmanagern in Mischgeschäftsführungen langlebiger Familienunternehmen" die Frage, wie geschäftsführende Gesellschafter ihre Beziehung zu den Fremdmanagern gestalten. Basis hierfür sind Interviews, die dahingehend analysiert werden, Risiken zu erkennen, die durch familienfremde Manager in Mischgeschäftsführungen langlebiger Familienunternehmen ins Unternehmen kommen. Mit einem Risiko, das alle personalwirtschaftlichen Ebenen des Unternehmens betrifft, befasst sich Çağrı Aksoy Hazır in ihrem Beitrag "Fraud Risk Assessment als Grundelement von Fraud Risk Management". Hierbei werden die Relevanz des Fraud Risk Assessment herausgestellt und sämtliche Teilschritte zur Aufdeckung betrügerischer Handlungen in Unternehmen betrachtet.

Zum Abschluss des Buches beleuchten Helmut Pernsteiner und Karin Reisinger in ihrem Beitrag "Ethikstrategie und unternehmerisches Risikomanagement" die existente empirische Evidenz zum Zusammenhang zwischen diesen beiden Bereichen. Hierbei wird deutlich, dass es aktuell einen durchaus widersprüchlichen Forschungsstand gibt und sich darauf basierend wichtige Implikationen für Unternehmer ergeben.

Fazit: Das Buch liefert erstmalig einen interkulturellen Ansatz im Risikomanagement mit einem Schwerpunkt auf die Länder Deutschland und Österreich sowie die Türkei. Da das Buch parallel auch in einer türkischen Sprachversion in der Türkei veröffentlicht wird, liefert die Publikationen einen wertvollen Impuls zu einem kulturellen Austausch. In der Praxis werden derartige kulturelle Unterschiede nicht selten ausgeblendet. So wird beispielsweise der Begriff "Risiko" je nach Kulturraum höchst unterschiedlich definiert und verstanden. Auch die gesetzlichen beziehungsweise regulatorischen Regelungen sind je nach Kulturraum unterschiedlich ausgeprägt. Insgesamt handelt es sich um einen praxisorientierten Sammelband – geschrieben von hochkarätigen Autoren aus unterschiedlichen Kulturkreisen.  


Details zur Publikation

Autor: Stephan Schöning/Sümer Göğüş/Helmut Pernsteiner (Hrsg.)
Seitenanzahl: 415
Verlag: Springer Verlag
Erscheinungsort: Wiesbaden
Erscheinungsdatum: 2017

RiskNET Rating:

sehr gut Praxisbezug
sehr gut Inhalt
sehr gut Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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