Moderne Instrumente in der Unternehmenssteuerung

Praxis des Risikomanagements


Rezension

Dass Risikomanagement die Volatilität von Cash Flows und Erträgen eines Unternehmens reduziert, wird weder von der Wissenschaft noch der Praxis bestritten. Praktiker und Wissenschaftler diskutieren jedoch regelmäßig, ob das Management von Risiken einen zusätzlichen Wert für das Unternehmen oder seine Eigentümer schaffen kann. Mit dieser Frage haben sich vor vielen Jahren George W. Fenn, Mitch Post und Steven Sharpe in der Studie "Does Corporate Risk Management Create Shareholder Value? A Survey of Economic Theory and Evidence” (Risk Publications, London 1997). Die positiven Effekte eines methodisch fundierten Risikomanagements sind offensichtlich: So stellt ein präventives und strukturiertes Management von Risiken und Chancen sicher, das beispielsweise die Cash Flows des Unternehmens zur Deckung einer geplanten Investition ausreichen. Weitere Effekte folgen: So kann neben der Absicherung von Investitionen und dem Schutz gegen systematische Risiken auch die Steuerbelastung der Unternehmen durch eine Verringerung der Volatilität reduziert werden. Außerdem kann durch eine Früherkennung von bestandsgefährdenden Entwicklungen, insbesondere im Bereich strategischer Risiken, das Insolvenzrisiko reduziert werden.

Darüber hinaus haben die Autoren untersucht, welche Motivation Unternehmen dazu bewegt, ihre Risiken zu steuern und gegebenenfalls abzusichern. In diesem Kontext unterscheidet sich der Reifegrad des Risikomanagements in der Praxis gravierend. Auf der einen Seite dominieren die Unternehmen, die im Kern eine rückspiegel-orientierte "Risikobuchhaltung" betreiben, Risiken vereinfacht (und nicht selten methodisch fehlerhaft) qualitativ oder semi-quantitativ mit einer Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit bewerten, Wechselwirkungen zwischen Risiken nicht oder methodisch unsauber erfassen und analysieren. Die logische Konsequenz sind Defizite bei der Risikoaggregation und Risikosteuerung. Auf der anderen Seite befinden sich Unternehmen, die Risikomanagement vollständig in die Steuerungssysteme des Unternehmens und in die Köpfe und Entscheidungsprozesse integriert haben (Reifegrad 4 bis 5 nach dem fünfstufigen Reifegradmodell des Kompetenzportals RiskNET). Dies bedingt andere, in der Regel quantitative, Methoden und Werkzeuge im Risiko- und Chancenmanagement. Die Herausgeber der Publikation "Praxis des Risikomanagements – Moderne Instrumente in der Unternehmenssteuerung" sind davon überzeugt, dass Risikomanagement ein entscheidendes Element in der Unternehmenssteuerung werden kann, wenn Risikomanagement richtig verstanden und das methodische Fundament richtig ausgerichtet wird.

So hatte bereits vor vielen Jahren der Pharmahersteller Merck & Co. berichtet, dass eine hohe Wechselkursvolatilität sowohl im eigenen Unternehmen als auch in der gesamten Branche zu einem Rückgang der Forschungstätigkeiten führt. Wenn Wechselkurse stark schwanken, schwanken die Erträge aus den weltweiten Exporten ebenso. Das Risiko von Merck und den anderen Unternehmen aus der Pharmabranche besteht also nicht unmittelbar in den sinkenden Exporterlösen, sondern in der Gefahr eines Rückgangs von Investitionen in Forschung und Entwicklung aufgrund volatiler Wechselkurse. Daher wird durch das Risikomanagement sichergestellt, dass der Cash Flow des Unternehmens zur Deckung der geplanten Investitionen ausreicht.

Das Herausgeberwerk spiegelt die Heterogenität des Themas Risikomanagement exzellent wider. Einführend setzen sich fünf Beiträge mit aktuellen Trends und den Methoden im Risikomanagement auseinander. Die einzelnen Beiträge nähern sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Leser lernt robuste und quantitative Methoden zum Management von Volatilität und einer gestiegenen Komplexität kennen. So wird beispielsweise Komplexitätsmanagement als ein Kernbaustein für ein exzellentes Risikomanagement beschrieben. In den einführenden Kapiteln erfährt der Leser mehr über die Ansätze eines integrierten Enterprise Risk Managements beziehungsweise Supply Chain Risk Managements sowie eine integrierte Unternehmensführung mit Methoden des Risiko- und Chancenmanagements. 

Der zweite Themenblock setzt sich mit der Abbildung von Risiken und Chancen in der Finanzberichterstattung auseinander. Hierbei setzen sich die Autoren sowohl mit den nationalen Anforderungen (vor allem HGB, DRS 20) als auch den internationalen Anforderungen (IFRS, IAS) auseinander. Außerdem werden verschiedene empirische Analysen zur Risikopublizität (Risk Disclosure) von DAX-Konzernen vorgestellt. 

Im dritten Block werden (leider nur) zwei Praxisbeispiele für ein fortgeschrittenes und methodisch fundiertes Risikomanagement vorgestellt. Der Beitrag "Next-Level"-Risikomanagement beschreibt vor allem den Aufbau und den methodischen Unterbau des Risikocockpits der Deutschen Telekom. In einem zweiten Beitrag wird die stochastische Bandbreitensimulation im Luftverkehrspassagiergeschäft der Deutschen Telekom beschrieben. 

Im letzten Themenblock "Exkurs" findet der Leser zwei weitere Beiträge, die über den methodischen Tellerrand des Risikomanagements hinausblicken und sich mit der Risikolandkarte auf einer Metaebene sowie der Historie des Risikobegriffs in der Welt des Adam Smith auseinandersetzen.

Insgesamt erhält der Leser ein buntes Puzzle an Themen, die er beliebig zusammenstellen kann. Vielleicht werden einige Leser die Heterogenität der Beiträge und den fehlenden Index des Buches kritisieren. Doch gerade diese Heterogenität und Vielschichtigkeit zeichnet das Thema Risiko- und Chancenmanagement aus. Wie bei Herausgeberwerken nicht selten, ist auch die Qualität der einzelnen Beiträge sehr unterschiedlich. Die Mehrzahl der Leser wird sich jedoch in dieser Fundgrube an aktuellen Themen aus der Welt des Corporate Risk Managements wohlfühlen.


Details zur Publikation

Autor: Thomas Knoll/Beate Degen (Hrsg.)
Seitenanzahl: 243
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsort: Stuttgart
Erscheinungsdatum: 2014

RiskNET Rating:

sehr gut Praxisbezug
sehr gut Inhalt
sehr gut Verständlichkeit

sehr gut Gesamtbewertung

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