Große Marken in Gefahr


Rezension

Noch vor wenigen Jahren stießen große Markennamen wie Digital Equipment, Xerox, Firestone, AT&T oder Marks&Spencer auf uneingeschränkte Bewunderung – heute rufen sie allenfalls noch Mitleid hervor. Schließlich demonstrierten diese Unternehmen auf eindrucksvolle Weise, wie sich auch einstige Key Player durch wenige strategische Fehler zurück in die Bedeutungslosigkeit katapultieren können.

Getreu dem Motto "Keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen" eröffnen derartige Fälle aber immerhin die Möglichkeit, dass andere aus Fehlern lernen, ohne diese selbst machen zu müssen. Daher sollten solche Beispiele stets ein willkommener Anlass sein, um auch das Risikomanagement-System des eigenen Unternehmens im Hinblick auf "kritische Misserfolgsfaktoren" zu überprüfen – die Analyse von Krisenfällen und die daraus abgeleiteten "Lessons learned" werden somit zu wesentlichen Elementen eines präventiven Chancen- und Risikomanagements. Hierbei kann das vorliegende Buch eine äußerst wertvolle Hilfe darstellen. In seinem neuesten Werk trägt Jack Trout, einer der wohl profiliertesten Marketing-Experten, zahlreiche Beispiele für missglücktes Markenmanagement zusammen. Auf der Basis einer detailreichen Analyse dieser (Un-)Fälle leitet er charakteristische Denk- und Handlungsmuster ab, die fast unweigerlich zu fatalen strategischen Fehlern führen. Parallel entwickelt er gut drei Duzend "Lektionen", die als Leitlinien für ein Markenmanagement dienen können, das den Werttreiber "Marke" schützt und stärkt.

Eine der wichtigsten Botschaften von Trout besteht darin, profilierte Marken keinesfalls auf andere Märkte oder Segmente auszudehnen: Kunden identifizieren eine bestimmte Marke nur mit bestimmten, relativ eng begrenzten Märkten und trauen dem betreffenden Unternehmen auch nur dort wirkliche Spitzenleistungen zu. Entscheidend sind nicht die Fakten, sondern vielmehr die Wahrnehmung durch den Kunden. Zur Begründung seiner These liefert Trout zahlreiche Fallstudien, in denen einstmals gefeierte Unternehmen (wie z. B. Xerox, AT&T oder Miller Brewing) großen Schaden nahmen, als sie unter ihrem Namen plötzlich immer mehr Produkte anboten, die mit den eigentlichen Kernkompetenzen immer weniger zu tun hatten (Trout nennt dies den "Alles-für-Jeden-Fehler"). Durch das Buch zieht sich dementsprechend auch ein Plädoyer für die klare Positionierung einer Marke, ihre Differenzierung vom Wettbewerb und die Fokussierung auf bestimmte Produkt- bzw. Marktsegmente – nicht ohne Seitenhiebe auf inkompetente Aufsichtsräte, Unternehmensberater und Investmentbanker, die genau dies verhindern, weil sie oft genug ausschließlich an einem möglichst hohen Umsatzwachstum interessiert sind.

Die meisten von Trouts Lektionen klingen auf den ersten Blick zwar ebenso plakativ wie trivial (z. B. "Versuchen Sie nicht, die Meinung des Marktes zu ändern", oder "Unterschätzen Sie nie einen größeren Konkurrenten"). Zudem finden sich in dem Buch nur wenige wirklich neue Gedanken: Wer bereits die älteren Werke von Trout (wie z. B. "Positioning", "The 22 immutable laws of marketing" oder "Differentiate or Die") gelesen hat, dem wird auch sein aktuelles Werk größtenteils bekannt vorkommen. In Verbindung mit der Darstellung teilweise katastrophaler strategischer Fehlentscheidungen wird jedoch deutlich, dass auch scheinbar banale Binsenweisheiten offensichtlich immer wieder vergessen werden und daher wohl gar nicht oft genug wiederholt werden können.

Bisweilen erliegt der Marketing-Mann Trout – wie viele andere exponierte "Management-Gurus" auch – allerdings einem gewissen Hang zur Besserwisserei. So weist er etwa bei zahlreichen Fallstudien ausdrücklich darauf hin, dass er selbst als Berater für die betreffenden Firmen tätig war. Leider wollten diese seinen Empfehlungen jedoch nicht folgen und liefen daher trotz seiner ausdrücklichen Warnungen ins Verderben.

Zudem handelt es sich bei dem Werk um ein charakteristisches Exemplar typisch amerikanischer Managementliteratur: Durch Trouts flüssigen Sprachstil und die Aufteilung in handliche Kapitel ist das Buch zwar äußerst gut lesbar – wer methodisch fundierte wissenschaftliche Analysen erwartet, wird allerdings enttäuscht werden.

Insgesamt stellt "Große Marken in Gefahr" eine sehr anregende und über weite Strecken sogar äußerst vergnügliche Lektüre dar. Indem Trout strategische Risiken anschaulich analysiert und interessante Einblicke hinter die Kulissen fataler Fehlentscheidungen einstiger Top-Unternehmen vermittelt, gelingt es ihm, die "ewigen" Wahrheiten des Marketing eindringlich und anschaulich zu vermitteln. 

Rezension von Dr. Roland Franz Erben

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