Fraktale und Finanzen. Märkte zwischen Risiko und Ruin


Rezension

Nach Ansicht des französischen Mathematikers Benoît B. Mandelbrot sind Finanziers und Anleger der Welt derzeit wie Seeleute, die keine Wetterwarnungen beachten. Jahrhunderte hindurch haben Schiffbauer ihre Rümpfe und Segel mit Sorgfalt entworfen. Sie wissen, dass die See in den meisten Fällen gemäßigt ist. Doch sie wissen auch, dass Taifune aufkommen und Hurrikane toben. Sie konstruieren nicht nur für die 95 Prozent der Seefahrtstage, an denen das Wetter gutmütig ist, sondern auch für die übrigen 5 Prozent, an denen Stürme toben und ihre Geschicklichkeit auf die Probe gestellt wird.

Die traditionellen und gängigen Methoden des Risikomanagements unterschätzen die Risiken an den Finanzmärkten. Die "moderne" Finanztheorie gründet sich auf ein paar fragwürdige Mythen, die uns dazu bringen, das wahre Risiko der Finanzmärkte zu unterschätzen. Mandelbrot kritisiert an den traditionellen Risikomodellen, dass sie die Realität nur sehr eingeschränkt abbilden würden. Die meisten Risikomodelle der Banken und Versicherungsunternehmen sind blind für Extremereignisse. Dies hänge vor allem damit zusammen, dass sie auf der Annahme der Gaußschen Normalverteilung basieren. Die besondere Bedeutung der Normalverteilung beruht unter anderem auf dem zentralen Grenzwertsatz, der besagt, dass eine Summe von n unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen in der Grenze normalverteilt ist. Viele Prozesse aus der Natur und Gesellschaft, vor allem solche, in denen mehrere Faktoren unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen wirken, lassen sich durch Normalverteilungen entweder exakt oder wenigstens näherungsweise sehr gut beschreiben. Mandelbrot: "Viele Phänomene kann man durch die Glockenkurve sehr gut darstellen. … Aber das Hauptproblem: sie erlaubt nicht, extreme Fälle zu erklären. Wenn es extrem hoch geht oder extrem runter. … Das widerspricht der Realität des Marktes völlig. Die Prozesse erlauben nicht, die extremen Kurssprünge zu erklären. Aber an der Börse sind eben jene Kurssprünge besonders wichtig. ... Wenn man die letzten zehn Jahre nimmt, sind es nicht die normalen Handelstage, die wichtig sind für große Gewinne und Verluste, sondern die Tage, an denen es dramatische Ausreißer gab. Also nicht die Werte innerhalb der Glockenkurve, sondern jene, die außerhalb der Kurve lagen."

Seiner Ansicht nach sollten die Risikomodelle durch fraktale Modelle ersetzt werden, die ein völlig anderes Erklärungsmuster nutzen. Ein Fraktal definiert Mandelbrot als ein Muster oder Objekt, dessen Teile das Ganze in kleinerem Maßstab widerspiegeln. So wie bei einem Blumenkohl, wo jedes kleine Röschen der Gesamtgestalt des Blumenkohls ähnelt, verhält es sich auch an der Börse. In den Handelbewegungen von zwei Stunden sind nach Mandelbrots fraktalem Modell demnach bis zu hundertachtzig Tage eingeschrieben.

Kritik äußerte Mandelbrot auch für die bei Risikoexperten vielgenutzten GARCH-Modelle und die Black-Scholes-Formel zur Bewertung von Optionen. Mit Hilfe von fraktalen Modellen sei es im Gegensatz zu den traditionellen Methoden möglich, auch Extremsituationen analytisch zu erfassen.

Zum Autor: Mandelbrot wurde 1924  in Warschau geboren und lebt in Frankreich. Bekannt geworden ist Mandelbrot vor allem für die Entwicklung der Fraktalgeometrie als Mathematiker bei IBM. Bei Fraktalen handelt es sich um ein mathematisch definiertes Objekt, das nicht ein-, zwei- oder dreidimensional ist, sondern eine sog. gebrochenzahlige Dimension aufweist (etwa 1,3 oder 6,73). Das berühmteste Fraktal ist die so genannte Mandelbrot-Menge, die aufgrund ihres Aussehens oft  auch als "Apfelmännchen" bezeichnet wird. Seine wohl bekannteste Veröffentlichung ist "Die fraktale Geometrie der Natur".

Das Buch "Fraktale und Finanzen. Märkte zwischen Risiko und Ruin" kann jedem Leser uneingeschränkt empfohlen werden, der einmal über den Tellerrand der traditionellen Finanzmarkttheorie schauen möchte und etwas über die fraktale Betrachtung des Marktes erfahren möchte. Das Buch kommt ohne jegliche mathematische Formeln aus und richtet sich daher eher an den Nicht-Mathematiker.

Rezension von Frank Romeike

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