COVID-19-Rezession

Die Weltwirtschaft auf der Intensivstation


Die Weltwirtschaft auf der Intensivstation Studie

Das Coronavirus stürzt fast die ganze Welt in eine Rezession. Das geht aus der neuesten Umfrage des ifo Instituts hervor, an der 1000 Experten in 110 Ländern teilnahmen. Demnach wird die weltweite Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 1,9 Prozent schrumpfen. "Das ist eine beispiellos niedrige Zahl seit Beginn der Umfrage 1989", sagen die Forscher Dorine Boumans, Sebastian Link und Stefan Sauer vom ifo Institut.

Die Expert*innen sind der Ansicht, dass sich vor allem Investitionskürzungen erheblich negativ auswirken werden, stellen aber auch steigende Haushaltsdefizite der Staaten, geringere Konsumausgaben sowie Unternehmensschließungen und die Probleme in den internationalen Lieferketten als starke Behinderungsgründe fest.

In der Folge erwarten sie für das Jahr 2020 schwere Rezessionen in fast allen Ländern, die zusammengenommen zu einem Rückgang der globalen Wirtschaftsleistung um –1,9% führen dürften. Nur noch wenige Länder, wie etwa China oder Indien, dürften im Jahr 2020 mit historisch niedrigen Raten wachsen. Dennoch sind auch in diesen Ländern die Erwartungen deutlich pessimistischer als vor Ausbruch der Krise. Die Expert*innen stufen Liquiditätshilfen sowie vorübergehende Steuerstundungen für Unternehmen derzeit als die bei weitem effektivsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Eindämmung des wirtschaftlichen Schadens ein. Im Gegensatz dazu halten sie Helikoptergeld oder eine gelockerte Bankenaufsicht für wenig geeignet, um die gegenwärtige Krise zu bekämpfen.

Verringerung der Investitionen als stärkster Wirkungskanal

Aufgrund der großen Unsicherheit über das tatsächliche Ausmaß der Coronakrise lag ein Schwer- punkt der Expertenbefragung auf der Identifizierung der Wirkungskanäle, die die schwerwiegendsten wirtschaftlichen Effekte hervorrufen dürften. Die Exper*innen bewerteten diese in ihren jeweiligen Ländern auf einer Skala von 1 (= am wenigsten) bis 10 (= am stärksten). Insgesamt war die Einschätzung, dass eine Verringerung der Investitionen die stärkste negative Auswirkung auf die Wirtschaft haben wird (durchschnittliche Bewertung über alle Länder: 8,2). Zunehmende Defizite der öffentlichen Haushalte (8,0) und geringere Konsumausgaben (7,9) folgten nur unwesentlich dahinter. Aber auch noch anderen Effekten, wie Quarantänemaßnahmen im Allgemeinen (7,6), Produktionsstopps und Schließung von Geschäften (7,6) sowie die Unterbrechung von Lieferketten (7,5) werden starke Auswirkungen auf die Wirtschaft beigemessen. Krankheitsbedingte Personalausfälle (5,3) und Konkurse von Banken (3,7) dürften den Einschätzungen der Befragten zufolge dagegen nicht ganz so schwerwiegende Faktoren darstellen (vgl. Tab. 01).

Tab. 01: Einfluss der Corona-Auswirkungen auf die Wirtschaft [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]Tab. 01: Einfluss der Corona-Auswirkungen auf die Wirtschaft [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]

Interessanterweise sind die Einschätzungen der Expert*innen über die Bedeutsamkeit der einzelnen Wirkungskanäle auf die jeweilige Volkwirtschaft weltweit relativ ähnlich, und es bestehen nur sehr geringe Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern bzw. Weltregionen. In fast allen Ländern werden Investitionsrückgängen und verringerten Konsumausgaben der stärkste Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung beigemessen. In den USA ordnen die Befragten den reduzierten Konsumausgaben den stärksten Einfluss auf die Wirtschaft zu und schätzen die Unterbrechung von Lieferketten als wichtiger ein als in anderen Ländergruppen.

Auffällig ist die Heterogenität in der Wahrnehmung steigender Haushaltsdefizite (vgl. Abb. 01). In Ländern wie Japan, Italien, Spanien, Belgien und Brasilien, die bereits zuvor eine sehr hohe Staatsverschuldung aufgewiesen haben, werden weitere Defizite als sehr problematisch eingeschätzt (die durchschnittliche Einschätzung in diesen Ländern lag bei fast 9). Expert*innen in Ländern mit einem relativ niedrigen Ausgangsniveau der Staatsverschuldung, wie der Schweiz (Durchschnitt 6,0), den Niederlanden (6,1) und Russland (6,2), äußerten sich deutlich weniger besorgt.

Abb. 01: Bewertung der steigenden Haushaltsdefizite [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]Abb. 01: Bewertung der steigenden Haushaltsdefizite [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]

Pessimistischer Ausblick auf die EU

Die befragten Ökonom*innen erwarten im laufenden Jahr eine Rezession in fast allen Volkswirtschaften der Welt (vgl. Tab. 2). Gewichtet mit dem jeweiligen BIP ergeben die länderspezifischen Antworten für dieses Jahr einen Rückgang des globalen BIP um – 1,9%. Damit läge die Wachstumsrate mehr als 5 Prozentpunkte unter der Vorkrisenprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Januar, in der für das Jahr 2020 ein Wachstum des Welt-BIP von + 3,3% erwartet wurde (vgI. IWF 2020a). Nur in den asiatischen Schwellen- und Entwicklungsländern ist die aggregierte Prognose für 2020 noch leicht positiv. In China zum Beispiel wird ein BIP-Wachstum von 2,3% erwartet. Dies liegt aber dennoch deutlich unter den Wachstumsraten der letzten Jahre. Zum Vergleich: Der IWF ging im Januar noch von einem Wachstum von 6,0% im laufenden Jahr aus. Auch in allen anderen Ländern liegen die Erwartungen deutlich unter der IWF-Prognose vom Januar. In der Europäischen Union haben die Expert*innen auf aggregierter Ebene die pessimistischsten Erwartungen hinsichtlich des Wirtschaftswachstums (– 5,0%). Die durchschnittlich erwarteten Wachstumsraten waren in allen EU-Mitgliedsländern negativ. Auch für die USA sind die befragten Ökonom*innen sehr pessimistisch (– 4,6%) und lagen 6,6 Prozentpunkte unter der IWF-Prognose vom Januar. Insgesamt waren die Befragten in den meisten Ländern jedoch etwas weniger pessimistisch als der IWF in seinem aktuellen Ausblick vom April, der drei Tage nach Abschluss dieser Umfrage veröffentlicht wurde und einen weltweiten BIP-Rückgang von – 3,0% prognostizierte.

Tab. 02: Erwartete BIP-Veränderungsrate im Jahr 2020 (in %) [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]Tab. 02: Erwartete BIP-Veränderungsrate im Jahr 2020 (in %) [Quelle: Expertenumfrage des ifo Instituts, April 2020]

Der lange Weg zurück zur Normalität

Darüber hinaus besteht große Ungewissheit darüber, wann die Wirtschaftsleistung wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen wird. Die Erwartungen bezüglich der Dauer der Erholungsphase sind sehr unterschiedlich (vgl. Tab. 3). Betrachtet man alle Befragten zusammen, so erwartet etwa ein Drittel (30,7%) eine vollständige Erholung in der ersten Hälfte des Jahres 2021, während ein weiteres Drittel deutlich pessimistischer ist und davon ausgeht, dass sich das BIP nicht vor 2022 erholen wird (34%). Die Prognosen variieren jedoch stark von Land zu Land. Insbesondere erwarten chinesische, koreanische und pakistanische Expert*innen, dass das inländische BIP zwischen dem vierten Quartal dieses Jahres und dem ersten Quartal 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird. In Europa zeigen sich die Niederländer am optimistischsten, die mit einer Rückkehr des BIP auf das Vorkrisenniveau in der ersten Hälfte des Jahres 2021 rechnen. In einigen europäischen Ländern sind die Expert*innen jedoch wesentlich pessimistischer hinsichtlich einer schnellen Erholung. In Italien zum Beispiel rechnen zwei Drittel nicht vor 2022 mit einer Rückkehr auf das Vorkrisenniveau.

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[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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