Risikolandkarte 2020

Kreditrisiko hängt von 5 Faktoren ab


Risikolandkarte 2020: Kreditrisiko hängt von 5 Faktoren ab Kolumne

Jedes Jahr erstellt die EZB-Bankenaufsicht in Kooperation mit den nationalen Behörden eine Risikolandkarte, anhand der die wesentlichen Risikofaktoren für die kommenden zwei bis drei Jahre abgelesen werden können. Die Risikokonstellation im "Single Supervisory Mechanism" (kurz: SSM) bildet dabei nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungsintensität ab, sondern betont zudem Abhängigkeiten sowie gegenseitig verstärkende Elemente der einzelnen Risikofaktoren. Insgesamt wurden auf diese Weise elf Haupt-Risikofaktoren identifiziert, welche die Banken im Euroraum in 2020 bis 2022 vor allem beeinflussen werden. Neben dem Brexit und der Gefahr durch Cyberkriminalität, sind es vor allem veraltete Geschäftsmodelle und generelle Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Schuldentragfähigkeit, die nach Sicht der EZB den Euroraum belasten werden.

Das Kreditrisiko steigt hauptsächlich durch fünf Faktoren an

Abbildung 01 stellt in übersichtlicher Form die Ergebnisse der Analysen nach dem SSM dar.

Vor allem fünf Risikofaktoren verbinden eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit mit einer starken Auswirkung:

  • Herausforderungen im Bereich Wirtschaft, Politik und Schuldentragfähigkeit im Euroraum;
  • Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle europäischer Banken;
  • Cyberkriminalität und IT-Mängel;
  • Ausführungsrisiken bei NPL-Strategien (Non-Performing Loans = notleidende Kredite, betrifft nur Banken mit hohen NPL-Beständen);
  • Gelockerte Kreditvergaberichtlinien.

Der dringende Ratschlag der EZB, der durch diese Untersuchung zwischen den Zeilen mitgeliefert wird, ist eindeutig: Jede Bank, die im Jahr 2020 und darüber hinaus erfolgreich einen Kredit vergeben möchte, sollte das eigene Risikomanagement besonders hinsichtlich dieser fünf Punkte noch einmal genauer überprüfen.

Abbildung 01: Risikokonstellation im SSM 2020 [Quellen: EZB und NCAs]
Abbildung 01: Risikokonstellation im SSM 2020 [Quellen: EZB und NCAs]
Anmerkungen: *Die mit den Strategien der Banken für notleidende Kredite (Non-Performing Loans – NPLs) verbundenen Ausführungsrisiken betreffen nur Banken mit hohen NPL-Beständen. **Die durch den Klimawandel bedingten Risiken sind eher auf längere Sicht (d. h. über einen Zeithorizont von mehr als drei Jahren) relevant.

Wirtschaft, Politik und Schuldentragfähigkeit als belastende Faktoren

Die Risiken für den Euroraum, die aus den wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten resultieren, haben sich im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Zurückzuführen ist dies vor allem auf eine nach unten korrigierte Konjunkturerwartung und eine angespanntere Stimmung im internationalen Umfeld. Der immer stärker vorherrschende Protektionismus führt ebenfalls zu einem gestiegenen Kreditrisiko für Banken, deren Kunden auf stabile Exporte angewiesen sind. Auf politischer Ebene führen darüber hinaus einige immer nationaler ausgerichtete EU-Länder zu Herausforderungen im Euroraum.

Hinzu kommt die gleichbleibend hohe Verschuldung sowohl privater Haushalte, aber vor allem der europäischen Unternehmen, die aktuell von dem niedrigen Zinsniveau profitieren. Auch wenn die Zinsen voraussichtlich vorerst niedrig bleiben, macht die hohe Schuldenlast die Unternehmen dennoch anfällig für Schocks, wodurch das Kreditrisiko für Banken gleichsam ansteigt.

Geschäftsmodelle der Banken nicht mehr zeitgemäß

Die Geschäftsmodelle vor allem der Großbanken sind auf völlig andere Gegebenheiten ausgerichtet, als die Banker sie 2020 erleben werden. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld und der somit geringe Zinskonditionenbeitrag wird auch im neuen Jahr die Rentabilität der Banken belasten, was sie weiterhin zwingen wird, alternative Ertragsquellen zu erschließen.

Durch feste Strukturen, teils riesige Apparate und dem oft fehlenden "Startup-Spirit" sind sie jedoch vor allem bei der Frage, welche Möglichkeiten die fortschreitende Digitalisierung für innovative Erweiterungen der Geschäftsmodelle liefert, oft deutlich schlechter aufgestellt als die flexible, junge Konkurrenz der FinTechs. Zudem treten immer mehr Konkurrenten in Form von Global Playern aus dem BigTech-Bereich wie Apple oder Google auf den Plan.

Um im Jahr 2020 und darüber hinaus weiterhin rentabel zu bleiben, werden die Banken nicht nur ihre Geschäftsmodelle, sondern ihre Rolle in der Gesellschaft und damit sich selbst neu erfinden müssen.

Die IT-Systeme vieler Banken sind anfällig für Cyberkriminalität

Die voranschreitende Verlagerung von fast allen Lebensbereichen in die digitale Sphäre, führt gleichzeitig zu einem Anstieg der Cyberkriminalität. Dieser Trend wird sich in den folgenden Jahren verstärkt fortsetzen und somit auch für Banken ein wachsendes Risiko darstellen. Die sensiblen Geschäftsvorgänge werden aktuell noch sehr häufig in veralteten Systemen abgewickelt, deren Umstellung mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden ist.

Die Auslagerung der bankinternen IT-Services auf einen Drittanbieter ist daher ein übliches Vorgehen. Die dadurch entstehenden Schnittstellen führen jedoch ihrerseits wieder zu operativen Risiken. Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, welche erheblichen Reputationsschäden Sicherheitsvorfälle im IT-Bereich der Banken haben können.

Die besonderen Kreditrisiken: Notleidende Kredite

Banken mit hohen Beständen an notleidenden Krediten (non-performing loans, NPL) haben in den letzten Jahren bei der Ausführung der jeweiligen NPL-Strategien prinzipiell gute Fortschritte erzielt. Bei den bedeutenden Instituten sind die NPL-Bestände zwischen Q1 2018 und Q1 2019 um 112 Mrd. EUR zurückgegangen und betrugen nur noch 587 Mrd. EUR. Dieser Abbau zeigt sich auch in der durchschnittlichen NPL-Quote von 3,7 Prozent, die im Vorjahr noch 4,7 Prozent betrug.

Das Kreditrisiko, welches von notleidenden Krediten im Euroraum ausgeht, ist jedoch trotz dieser intensiven Bemühungen des Bankensektors nach wie vor höher als vor der Finanzmarktkrise. Im Vergleich mit anderen Industrienationen sind die Risiken sogar deutlich höher.

Im Hinblick auf den fortgeschrittenen Konjunkturzyklus schränken diese Kreditrisiken die Handlungsfähigkeit der Banken nach wie vor sehr ein. Vor allem das Risiko, wenn durch eine weitere Krise diese notleidenden Kredite endgültig ausfallen werden, sieht die Bankenaufsicht kritisch.

Gelockerte Kreditvergaberichtlinien könnten Banken mehr schaden als nutzen

Während der Finanzmarktkrise wurden die Richtlinien zur Kreditvergabe deutlich verschärft. Die erneute Lockerung dieser Vorgaben erleichtert die Kreditvergabe, was gerade in Zeiten von Niedrigzinsen und Investitionsdruck zu einem Anstieg von notleidenden Krediten führen kann. Das Kreditrisiko für Banken wird dabei vor allem durch eine lockere Vergabe von Wohnimmobilienkrediten erhöht, da sie im Schnitt viele derartige Kredite in ihren Büchern haben.

Fazit

Die sich langsam abschwächende Konjunktur schürt die Angst vor einer Rezession und findet sich daher direkt oder indirekt in allen von der EZB-Bankenaufsicht beleuchteten Punkten wieder. Überschattet wird die Entwicklung durch eine anhaltend geringe Profitabilität der Banken aufgrund der Niedrigzinsphase, anwachsender Konkurrenz aus branchenfremden Bereichen und dem Innovationsdruck, der Investitionen notwendig macht, um auch in Zukunft tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hinzu kommen die nötigen Investitionen in die Modernisierung bestehender IT-Systeme, um die immer größere Gefahr von Cyberattacken zu minimieren und operative IT-Risiken zu senken.

Die Politik, die ihrerseits durch nationalistische Trends und Protektionismus eigene Risiken erzeugt, versucht die Banken zum Beispiel durch eine Lockerung der Kreditvergaberichtlinien zu unterstützen. Dies könnte auf lange Sicht jedoch kontraproduktiv sein, da die noch immer hohen Bestände an notleidenden Krediten auf diese Weise eher zu- als abnehmen könnten.
Im Falle eines Schocks sieht die EZB das Risiko, dass die Banken aufgrund dieser Belastungen die restlichen Wirtschaftsteilnehmer nicht unterstützen können, sondern selbst wieder zum Problemfall werden.

Autor:
Ben Korbach war lange Jahre im Unternehmenskunden-Bereich einer deutschen Großbank tätig, bis er merkte, dass dies nicht mehr sein Weg ist.
Ben Korbach
war lange Jahre im Unternehmenskunden-Bereich einer deutschen Großbank tätig, bis er merkte, dass dies nicht mehr sein Weg ist. Seitdem reist er zusammen mit seiner Frau um die Welt und arbeitet überall dort, wo es Internet gibt, als Unternehmens-Coach und strategischer Content-Partner. Seine Spezialität besteht darin, die richtigen Fragen zu stellen und die oft komplexen Antworten in einfache, storybasierte Texte zu übersetzen. Dabei hat sich Ben Korbach unter anderem auf das Thema Kredite spezialisiert.

[ Bildquelle Titelbild: Adobe Stock ]
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