Die Intelligenz der Maschinen

Mit Koryphäen der KI im Gespräch


Martin Ford (2019): Die Intelligenz der Maschinen - Mit Koryphäen der Künstlichen Intelligenz im Gespräch, 536 Seiten, mitp Verlag, Frechen 2019, ISBN: 9783747500095 Rezension

Wie intelligent ist Künstliche Intelligenz? Wohin wird uns die Künstliche Intelligenz in Zukunft führen? Welchen Einfluss wird sie auf den Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und die Gesellschaft nehmen? Welche Chancen und Probleme entstehen, wenn die Entwicklung der KI immer weiter fortschreitet? Werden Roboter in Zukunft die Pflege älterer und kranker Menschen übernehmen und Computerchips in unseren Gehirnen unsere menschlichen Fähigkeiten optimieren? Oder müssen wir uns doch eher vor amoklaufenden Killerrobotern oder einer totalen Machtübernahme durch Maschinen fürchten?

In diesem Buch führt Martin Ford über zwanzig Interviews mit bedeutenden Köpfen der KI aus dem englischsprachigen Raum und lässt dabei Forscher, Unternehmer und Kritiker zu Wort kommen.

Gemeinsam mit seinen Experten beleuchtet er den aktuellen Stand der Technik, künftige Entwicklungsmöglichkeiten der KI sowie deren Auswirkungen auf unser soziales und wirtschaftliches Leben. So sollen im "Internet der Dinge" nach aktuellen Schätzungen (im Jahr 2019) rund um den Globus bereits 27 Milliarden vernetzte Geräte im Einsatz sein. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 7,7 Milliarden Menschen entspricht das mehr als drei "Internet of Thinks"-Gadgets pro Erdenbewohner. Wenn nun berücksichtigt wird, dass aber erst rund 0,6 Prozent aller grundsätzlich vernetzungsfähigen Geräte mit dem Internet verbunden sind, sind die Projekten von rund 75 Milliarden IoT-Devices bis zum Jahr 2025 alles andere als utopisch. Und diese Geräte, von der vernetzten Beleuchtung, dem Fitness-Tracker, intelligente Kleidung (Smart Clothes) über die Kaffeemaschine bis zum Auto, dem Türschloss und den rund 620 Millionen Überwachungskameras in China werden permanent Daten generieren, die für Datenanalysen verwendet werden können.

Doch es sind nicht nur die schieren Datenmengen, die einen Boom im Kontext Artificial Intelligence und maschinelles Lernen hervorgerufen haben. Ein weiterer Treiber liegt in der Miniaturisierung der immer leistungsfähigeren Mikroprozessoren, die heute beispielsweise in jedem Smartphone stecken. Seit dem Jahr 1994 ist die Zahl der Bauelemente auf einem Mikrochip um mindestens den Faktor 10.000 gestiegen und parallel dazu die Rechenleistung. Die stärksten Supercomputer konnten Mitte der 1990er Jahre etwa 100 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde bewältigen – das schafft heute jedes gute Smartphone.  Und zugleich sank der Stromverbrauch auf weniger als ein 100.000stel. Gleichzeitig hat jedes Smartphone und jedes Auto eine Vielzahl von Sensoren: hochauflösende Kameras, Rotations- und Beschleunigungssensoren, Messgeräte für Magnetfelder und Umgebungslicht, Satellitenortung, Fingerabdrucksensoren, Mikrofone und vieles mehr.

Das Buch zeigt auf, dass ein weiterer Treiber maschinelle Lernverfahren (Machine Learning) sind, etwas aus dem Bereich Deep Learning. Hierunter wird allgemein eine Klasse von Optimierungsmethoden künstlicher neuronaler Netze verstanden. Bereits in den 1960er-Jahre wurden von Alexey Ivakhnenko die ersten Deep-Learning-Systeme (des Feedforward-Multilayer-Perzeptron-Typs) entwickelt. Jürgen Schmidhuber zeigt in seinem Vorwort auf, dass bereits im Jahr 1970 einige seiner lernenden Netze über acht Schichten verfügten, was auch nach 2000 noch als tief galt. Dort erst die enorme Rechenleistung, die wir heute durch spezielle Prozessoren zur Verfügung haben, ermöglichte die enormen Anwendungsfelder und Fortschritte.

Themen der Interviews sind zum Beispiel Erkenntnisse zur emotionalen Intelligenz der KI (Rana el Kaliouby), die Notwendigkeit für mehr Diversität in der KI-Forschung (Fei-Fei Li) sowie Analysen der Auswirkungen von KI auf Unternehmen und Wirtschaft (James Manyika). Sie erhalten auch Einblick in verschiedene KI-Methoden, u.a. von Preisträgern des Turing Awards, Forschern am MIT und Entwicklern bei bekannten Unternehmen wie Google und Facebook.

Mit einem Vorwort von KI-Pionier Jürgen Schmidhuber, dessen Team an der TU München und am Schweizer Forschungsinstitut IDSIA die tiefen neuronalen Netze entwickelt hat, die zum Kern der KI auf Milliarden von Smartphones wurden. Er erläutert die weltweiten historischen Entwicklungen in der KI-Forschung und stellt ergänzend die richtungsweisenden Pioniere vor, die nicht aus dem englischsprachigen Raum kommen. Aus meiner Sicht ist vor allem die kompakte Einführung von Jürgen Schmidhuber sehr lesenswert, da hier deutlich wird, dass die Wurzeln von Artificial Intelligence (AI) vor allem in Europa zu finden sind. Denn auf den folgenden rund 520 Seiten des Buches wird vor allem die angloamerikanische Perspektive präsentiert.

Martin Ford führte Interviews mit Yoshua Bengio (University of Montreal), Stuart Russell (University of California, Berkeley), Geoffrey Hinton (University of Toronto und Google), Nick Bostrom (University of Oxford), Yann LeCun (Facebook), Fei-Fei Li (Stanford University und Google), Demis Hassabis (DeepMind), Andrew Ng (AI Fund), Rana el Kaliouby (Affectiva), Ray Kurzweil (Google), Daniela Rus (MIT), James Manyika (McKinsey Global Institute), Gary Marcus (New York University), Barbara Grosz (Harvard University), Judea Pearl (University of California, LA), Jeff Dean (Google), Daphne Koller (Stanford University), David Ferrucci (Elemental Cognition), Rodney Brooks (Rethink Robotics), Cynthia Breazeal (MIT), Josh Tenenbaum (MIT), Oren Etzioni (Allen Institute for AI) sowie  Bryan Johnson (Kernel).

Fazit: Das Buch bündelt in einer kompakten Form unterschiedliche Perspektiven auf das Thema "Artificial Intelligence" und liefert uns in einer unterhaltsamen Form einen aktuellen Überblick über den Stand der Wissenschaft und Praxis sowie potenzielle Risiken und Herausforderungen sowie einen angloamerikanischen Blick in die Zukunft. Um einen ausgewogeneren Blick zu erhalten, hätte Martin Ford auch Interviews mit Wissenschaftlern der "Chinesischen Akademie der Wissenschaften" (CAS) oder der "Technischen Universität München" (TUM), der "Nanyang Technological University" (Singapur) oder der "University of Granada" (Spanien) führen müssen.

[ Bildquelle Titelbild: mitp Verlag ]
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