Weg vom Krisenmodus: Just do it

Frau Yellen als Mutter Courage?


Frau Yellen als Mutter Courage? Weg vom Krisenmodus: Just do it Kolumne

Seit nunmehr zweieinhalb Jahren bemüht sich die amerikanische Notenbank, bei der Geldpolitik den Krisenmodus zu verlassen und wieder normale Verhältnisse herzustellen. 2013 hat sie das angekündigt. 2014 hat sie die Wertpapierkäufe ("Q/E") in einem langwierigen Verfahren zurückgeführt. In diesem Jahr hätte der dritte Schritt folgen sollen, die Erhöhung der Zinsen. Da stockt es. Die Federal Reserve findet nicht den richtigen Zeitpunkt. Sie verschiebt den Termin von Sitzung zu Sitzung. Warum ist die Anhebung der Leitzinsen so schwer?

Wenn man sich die Grafik des Aufs und Abs der Leitzinsen in der Vergangenheit anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, als sei das alles ganz unproblematisch. In regelmäßigen Abständen gingen die Zinsen nach oben und nach unten. Das ist aber nicht richtig. Zinserhöhungen waren für die Notenbank (nicht nur in den USA) noch nie ein Kinderspiel. Es gab immer schwierige Entscheidungsprozesse und Verzögerungen. Im Jahr 1992 warf der damalige Präsident Bush der Notenbank vor, sie habe mit einer Zinserhöhung seine Wiederwahl verhindert. Finanzminister haben immer gegen Zinserhöhungen opponiert, damit die Kreditaufnahme des Staates nicht zu teuer wird.

Leitzinsen USA in % [Quelle: Fred]

Leitzinsen USA in % [Quelle: Fred]

Gemessen an diesen Zeiten befindet sich die Federal Reserve heute in einer komfortablen Situation. Sicher wird auch auf sie Druck ausgeübt. Er hält sich aber in Grenzen. Der US-Präsident kann nicht wiedergewählt werden. Der Finanzminister hat die Budgetdefizite stark zurückgeführt und ist daher nicht mehr so zinsabhängig. Die Federal Reserve könnte sich allenfalls selbst im Wege stehen. Sie hat große Wertpapierbestände und würde bei einer Zinserhöhung Kursverluste erleiden. Das ginge zu Lasten des Gewinns. Aber niemand zwingt sie Gewinne zu erwirtschaften.

Eine größere Wirtschaftsabschwächung in den USA als Folge einer Anhebung der Leitzinsen fürchten auch Pessimisten nicht. Selbst die am stärksten Betroffenen, die Schwellen- und Entwicklungsländer, raten der Federal Reserve inzwischen: "Just do it". Die Unsicherheit durch das Nichtstun ist für sie schlimmer als eine Zinserhöhung.

Warum macht sie es dann also nicht? Wenn ich es recht sehe, dann weniger aus ökonomischen als aus politisch-institutionellen Erwägungen. Erstens gibt es anders als in früheren Zinserhöhungsphasen keine unmittelbaren und dringlichen Gefahren, die die Notenbank zum Handeln zwingen. Die Preissteigerung ist nach wie vor mäßig. Der Arbeitsmarkt steht nicht vor einer Überhitzung. Wenn die Notenbank noch ein oder zwei Monate wartet, passiert keine Katastrophe. Das macht es für die Chefin des geldpolitischen Gremiums schwer, die Mitglieder zusammenzuhalten und sie zum Handeln zu bringen. Es ist ein bisschen so wie mit den Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie werden normalerweise erst dann in Angriff genommen, wenn "die Hütte brennt" und es gar nicht mehr anders geht. Ich dachte, die Zentralbanken hätten aus den Fehlern gelernt. Das ist aber offenbar nicht der Fall.

Wo ein unmittelbarer Druck herkommt, ist zweitens von den anomalen Verhältnissen auf den Geld- und Kapitalmärkten. Die Blasen bei Aktien, Renten und anderen Asset-Klassen, die durch die Nullzinsen und die unbegrenzte Liquidität entstanden sind, können jederzeit platzen. Wer damit nicht rechnet, kann nicht leugnen, dass die Nullzinsen die Sparer belasten. Sie führen zu einer Vernachlässigung der Altersvorsorge, die in den letzten Jahren so wichtig geworden ist. Sie schwächen das marktwirtschaftliche System, das ohne knappes Geld und Zinsen, die Präferenzen der Gesellschaft zwischen Zukunft und Gegenwart widerspiegeln, nicht ordentlich funktionieren kann. Investoren haben keine Kriterien, welche Projekte langfristig sinnvoll sind und welche nicht. Das führt zu Fehlallokationen und letztlich niedrigerem Wachstum, über das sich in den USA derzeit alle beklagen. Es gibt nur eine Institution, die das alles reparieren könnte. Das ist die Notenbank. Und warum tut sie es nicht? Weil sie dafür kein explizites politisches Mandat hat. Sie müsste aus eigener Verantwortung handeln, was natürlich schwerer ist (was sie in der Krisenbekämpfung freilich häufiger getan hat).

Wenn diese Situation in Zukunft häufiger vorkommen sollte, müsste man sich überlegen, ob man das Mandat der Notenbanken nicht erweitert. Man könnte zum Beispiel festlegen, dass die "unkonventionellen Maßnahmen" der Geldpolitik, die wir derzeit haben, nur eine begrenzte Zeit dauern dürfen. Sie werden in Krisen gebraucht, dürfen aber nicht zu Dauereinrichtungen werden.
Drittens und wahrscheinlich das Wichtigste: Eine klare in die Zukunft gerichtete Geldpolitik braucht mutige Frauen und Männer, die sich hinstellen und den richtigen Kurs überzeugend vorgeben.

Die Notenbanker bewiesen in der Krisenbekämpfung außerordentliche Führungsqualitäten. Sie avancierten zu den "heimlichen Herrschern" der Welt. Jetzt plötzlich scheint sie die Courage verlassen zu haben. Das "Federal Open Market Committee", das für die geldpolitischen Entscheidungen zuständig ist, fällt auseinander. Das dürfte die Vorsitzende, Janet Yellen, eigentlich nicht zulassen. Hier rächt sich ihr konsensorientierter Stil.

Autor: 

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist, Assenagon Asset Management S.A.

 

[ Bildquelle Titelbild: © Romolo Tavani - Fotolia.com ]
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