Höhere Resilienz eines Unternehmens

Risikomanagement komplexer Systeme


Risikomanagement komplexer Systeme: Höhere Resilienz eines Unternehmens News

Besonders Wirtschaftskrisen verdeutlichen immer wieder die Notwendigkeit systemischen Denkens und Handelns in der Unternehmensführung. Die Vorhersehbarkeit der Verhaltens- und Wirkweisen von Systemfaktoren werden mit wachsender Komplexität immer geringer. Je geringer die Möglichkeit einer klaren Bestimmung von Zukunftsszenarien, desto unberechenbarer werden die Risiken für das betreffende System und seine internen als auch externen Beziehungen. Die Unsicherheit nimmt zu, die Lebensfähigkeit des Systems sinkt [vergleiche hierzu beispielsweise den FM Global Resilience Index].

Die Steuerung eines komplexen Systems eingebunden in eine Vielzahl anderer Systeme ist nur möglich, wenn es gelingt, das jeweils betrachtete System, seinen Charakter, seine Interdependenzen und Funktionen, seine relevanten Verknüpfungen, seine Risiken aber auch Chancen so gut wie möglich zu erfassen. Nur mittels eines möglichst umfassenden System-Verständnisses ist es möglich zu prüfen, ob und wie ein bestimmtes Problem im betrachteten System lösbar beziehungsweise dieses steuerbar ist und gegebenenfalls mit welchem Aufwand.

Ein dynamisch-komplexes System ist grundsätzlich nur so lange steuerbar (als Institution) oder einer Führung fähig (als Organisation betrachtet), wie es dahingehend beeinflussbar ist, sich gezielt eigendynamisch zu entwickeln. Daher gilt System- und Komplexitätsmanagement für einige große Unternehmen inzwischen als zentraler Bestandteil eines strategischen Managements, um Risiken in ihrem Kontext zu erkennen und zu lernen mit diesen ebenso kontextuell umzugehen.

Dynamische Komplexität bietet zugleich eine Fülle von Chancen, kreativ Neues zu entwickeln. Sie ist der Quell von Innovation und eröffnet die Möglichkeit zur Einzigartigkeit und zum Nachahmungsschutz. Letzteres allein dadurch, dass Außenstehenden auch bei weitgehender Transparenz die Entschlüsselung einer dynamisch komplexen Wertschöpfung verwehrt bleibt [vgl. dazu Fornefett 2012, S. 16].

Abb.: Systemkategorien und mögliche Interventionen

Abb.: Systemkategorien und mögliche Interventionen

Um den wachsenden Interdependenzen komplexer Systeme und deren Risiken gerecht zu werden, benötigt Unternehmensführung eine neue Denkweise. Technokratische Planspiele kosten, neben Geld, vor allem wichtige Zeit. Demgegenüber wächst die Bedeutung der Verantwortung von Organisationen und deren Nutzen in einem größeren sozialen Kontext: Tiefes Verstehen von Wirtschaft einerseits und andrerseits das Führen von Menschen, die für eine nachhaltige Unternehmung regelmäßig die wichtigste Ressource darstellen [vgl. dazu auch Romeike/Spitzner 2013].

Das Risikomanagement der Zukunft bedeutet deshalb schwerpunktmäßig das Managen von Komplexität und Lebensfähigkeit (Resilienz). Denn je höher die Komplexität und je geringer die Robustheit eines Systems sind, desto größer sind dessen immanente Gefahren sowie deren mögliche negative Ausstrahlung beziehungsweise Auswirkungen auf andere Systeme. Für die Sicherstellung eines effektiven Risiko- und Lebensfähigkeitsmanagements tragen daher nicht allein von Gesetzeswegen Unternehmensführung und Aufsichtsorgane gleichermaßen Verantwortung.

Resilienz eines Unternehmens bedeutet balancierte Führ- und Steuerbarkeit. Diese hängt davon ab, ob und in welchem Maße es immer wieder gelingt, einem Organismus oder auch nur einem organisierten System rechtzeitig neue Impulse zu geben, um es erfolgreich in die nächste Phase zu heben.

Dynamische Komplexität lässt sich nur dynamisch erfassen. Komplexität wird damit nicht als ein Status quo konstatiert, vielmehr erfolgt dessen Erfassung und Reflexion selber in einem dynamischen Prozess. Dabei gilt es, Komplexität nicht mit noch mehr Komplexität zu begegnen, sondern den systemrelevanten Wesenskern zu finden, die "DANN" des Systems. Um ein tieferes Verständnis eines Systems zu erreichen, die wesentlichen Variablen in qualitativer wie quantitativer Hinsicht zu hinterfragen.

Das bedeutet auch, dass Unternehmensstrategie in komplexen Systemen kein langfristig stabiler Wegweiser mehr sein kann. Vielmehr erfordert diese neben der Bestimmung eines Basiskurses ständige Navigation. Strategische Unternehmensführung in komplexen Systemen braucht eine neue Denk- und Führungsstruktur, die dort ansetzt, wo die Lebensfähigkeit interdependenter Systeme liegt: Im Netzwerk selbst. Die Beeinflussbarkeit eines Netzwerkes durch ein Unternehmen wächst mit dessen Integrations- und Transparenz-Reifegraden.

Dabei ist es wichtig erkannt zu haben, dass Unternehmen in erster Linie Kunden und Gesellschaft dienen. Tun sie das erfolgreich, dienen sie auch den Eigentümern. Auch Corporate Governance und Compliance sind deshalb nur als integrativer Bestandteil eines Führungssystems in Vernetzung mit Strategie, Leadership und Risikomanagement sinnvoll, und können nur das zusammenfassend auf den Punkt bringen, was gute Unternehmensführung sowieso berücksichtigen und regeln muss.

Andreas Fornefett ist Vorstand der EPOTECH AG, Kelkheim, und unter anderem Vorsitzender des GVDK e. V. in Lübeck. Autor:

Andreas Fornefett ist Vorstand der EPOTECH AG, Kelkheim, und unter anderem Vorsitzender des GVDK e. V. in Lübeck.

Mit dem Thema "Vernetztes Denken und Komplexitätsmanagement" beschäftigt sich  ein Kongress der gleichnamigen Gesellschaft (GVDK) am 26. September 2014 im CAMPUS Königstein: www.vernetztesdenken.de/jahreskonferenz

Der Kongress bildet den Start für eine künftig jährlich stattfindende Veranstaltung. Im Fokus steht die Vorstellung und Diskussion innovativer Methoden und Tools zur Modellierung und Simulation komplexer Sachverhalte und Systeme. Er wird von der Gesellschaft für Vernetztes Denken und Komplexitätsmanagement (GVDK e. V.) durchgeführt.

Quellenverzeichnis sowie weiterführende Literaturhinweise:

FM Global Resilience Index 2014: www.fmglobal.com

Fornefett, Andreas in Everling, Oliver et al (Hrsg.), 2012: Transparenzrating, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2012.

Romeike, Frank/Spitzner, Jan (2013): Von Szenarioanalyse bis Wargaming. Betriebswirtschaftliche Simulationen im Praxiseinsatz, Wiley-VCH, Weinheim 2013.

[ Bildquelle Titelbild: © pogonici - Fotolia.com ]
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