Studie: Währungsrisiken werden unterschätzt

Unternehmen haben Nachholbedarf beim Risikomanagement


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Unternehmen in Deutschland haben Nachholbedarf beim Risikomanagement. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung von 400 Unternehmen, die die Deutsche Bank veröffentlicht hat. Abhängig von der Unternehmensgröße und der Region messen Unternehmen dem Risikomanagement unterschiedlich große Bedeutung bei. "Die Ergebnisse der Studie zeigen anschaulich, welche Risiken für Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise im Zentrum stehen. Erstaunlich ist, dass trotz der großen wirtschaftlichen Herausforderungen sehr viele Unternehmen auf ein Risikomanagement verzichten und wichtige Gefahrenquellen wie Währungsrisiken weiterhin unterschätzt werden – obwohl Unternehmen sich der großen Bedeutung eines Risikomanagements bewusst sind", so Ulrich Schürenkrämer, Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland und des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank.

Währungsrisiken werden unterschätzt

Für 82 Prozent der befragten Unternehmen ist das Thema Risikomanagement sehr wichtig oder wichtig. Dabei messen größere Unternehmen dem Thema eine höhere Bedeutung bei (89 Prozent) als kleinere Unternehmen (75 Prozent). Unternehmen im Osten Deutschlands bewerten das Thema dabei tendenziell am wichtigsten (83 Prozent). Obwohl Risikomanagement für Unternehmen wichtig ist, hat nur knapp die Hälfte der kleineren Unternehmen ein systematisches Risikomanagement. Bei den größeren Unternehmen hingegen sind es 75 Prozent. Auffällig ist, dass es im Westen Deutschlands die meisten Unternehmen ohne ein Risikomanagement gibt (42 Prozent). Für die meisten Unternehmen stehen Absatzrisiken (73 Prozent) und Ausfallrisiken (64 Prozent) an erster Stelle. Erstaunlich ist, dass Währungsrisiken trotz der großen Währungsschwankungen im Zuge der Finanzkrise als gering eingeschätzt werden. Für 80 Prozent der kleineren und rund Dreiviertel der größeren Unternehmen sind Währungsrisiken kein Thema.

Zinsrisiken werden als weniger bedeutend eingeschätzt

Einheitlich beurteilen große und kleinere Unternehmen die Gefahr, die durch Rohstoffpreisschwankungen ausgeht. Für rund die Hälfte aller Unternehmen sind Rohstoffrisiken ein Thema. Bemerkenswert ist, dass Zinsrisiken eine untergeordnete Rolle spielen. 26 Prozent der kleineren und 31 Prozent der größeren Unternehmen sehen darin eine Gefahr für ihr Unternehmen. Für kleinere Unternehmen sind Liquiditätsrisiken (52 Prozent) wichtiger als für größere Unternehmen (43 Prozent). In der Reihenfolge der Bedeutung werden als Risiken genannt: Absatzrisiken, Ausfallrisiken, Risiken durch Schwankungen der Rohstoffpreise, Liquiditätsrisiken, Energiepreisrisiken, Währungsrisiken und Zinsrisiken.

Regionale Unterschiede bei der Einschätzung von Risiken

Mit Blick auf die regionale Verteilung sind für 79 Prozent der süddeutschen Unternehmen Absatzrisiken von zentraler Bedeutung, bei ostdeutschen Unternehmen hingegen sind es nur 60 Prozent. Westdeutsche Betriebe sehen stärker ihre Liquidität gefährdet (54 Prozent), norddeutsche Unternehmen (35 Prozent) und ostdeutsche Unternehmen (43 Prozent) haben beim Thema Liquidität weniger Sorgen. Rohstoffpreisrisiken sind für mehr westdeutsche Unternehmen ein Thema (60 Prozent) als für norddeutsche (53 Prozent) und ostdeutsche Unternehmen (55 Prozent).

Trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise will weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen in puncto Risikomanagement Änderungen vornehmen. Von den Unternehmen, die ihr Risikomanagement ändern, sind die meisten aus dem Osten (42 Prozent) und Westen Deutschlands (40 Prozent). Nur 27 Prozent der Unternehmen mit Änderungswunsch kommen aus dem Norden.

[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

Joachim /19.06.2009 08:22
Wieder einmal ein Beispiel für eine eklatante Lücke zwischen Wunschdenken und Realität: Wie kann es sein, dass 82 Prozent der befragten Unternehmen der Meinung sind, dass das Thema Risikomanagement sehr wichtig oder wichtig sei und die Realität (siehe Überraschungseffekt Finanzkrise, der wir ein Tornado über die Unternehmen eingebrochen ist) ganz anders aussieht. Auch ein Blick auf die Reihenfolge der genannten Risiken ist interessant: Absatzrisiken, Ausfallrisiken, Risiken durch Schwankungen der Rohstoffpreise, Liquiditätsrisiken, Energiepreisrisiken, Währungsrisiken und Zinsrisiken.

Studien zeigen jedoch immer wieder, dass strategische Risiken zu 50 bis 60 Prozent die Werte in den Unternehmen vernichten ;-(
Markus /25.06.2009 17:02
@Joachim
Möglicherweise liegt das an dem obligatorischen hohen Testosteronspiegel, welcher schuld daran ist, dass manche männliche Banker / Unternehmer / whoever eine zu hohe Risikoneigung aufweisen? Zumindest wenn es nach manchen Wissenschaftlern und Ökonomen geht!

Trotz allem ist auch für mich nicht nachvollziehbar, weshalb das Risikomanagement generell keinen höheren Stellenwert hierzulande einnimmt. Unser Nachbarn aus Österreich sehen diesem Thema scheinbar offener entgegen - zumindest werben dort Firmen wie Proquest mit RiskScheck-Aktionen, also eine Art kostenloses Kennelernen von deren Dienstleistungen, um allgemein das Thema "Risikomanagement" an Mann und Frau näher zu bringen. Solche Aktionen finde ich gut und sollten auch in Deutschland angeboten werden!
Pleitegeier /27.06.2009 21:04
@Joachim et al.: Ein genauerer Blick in die Studie zeigt welche Unternehmen da überhaupt befragt wurden: Kleinere Unternehmen mit einer Bilanzsumme zwischen 1- 25 Mio. bildeten die Hälfte der Befragten. Branchen werden zwar nicht genannt, aber man kann sich schon vorstellen dass in dieser Größenordnung das Risikomanagement nur eine kleine und kurze Aufgabe in der Geschäftsführung sein wird.

Und wenn 92 % der Befragten mögliche Risikoarten identifizieren, aber nur 54 % überhaupt Risikokennzahlen definiert haben, wer soll da noch messen und steuern? Weniger als die Hälfte (48%) aller Befragten misst dem Risikomanagement überhaupt eine hohe Bedeutung zu! Da wundert es auch nicht wenn nur 5% der Befragten die Bewertung von Risiken verbessern möchte... Aber natürlich macht sich jeder Gedanken über Risikomanagement sowie auch jeder auf die Frage "Haben Sie sich heute Morgen die Zähne geputzt" mit "Ja!" antwortet.

Ganz so euphorisch sind die Ergebnisse also nicht zu bewerten und da Studien viel Geld kosten, sind sie auch nicht uneigennützig. Das zeigt schon die detaillierte Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Regionen Nord, West, Süd und Ost. Risikomanagement wird heute vielfach so gelebt, dass Bankberater und Versicherungsmakler Bedürfnisse wecken und zufällig die passenden Produkte im Koffer haben.

Frage: Würden Sie sich Ihre Hausapotheke lieber von Ihrem örtlichen Apotheker oder von einem unabhängigen Arzt optimieren lassen???
Joachim /27.06.2009 22:03
@Pleitegeier: Klasse Kommentar ... sehe ich exakt genauso. Na klar hat die Deutsche Bank exakt die Produkte in ihrem Portfolio, um die Lücke im Risikomanagement zu schließen ... leider wird man überhäuft mit Studien, die allesamt zu dem Ergebnis kommen, dass etwas getan werden muss und dass ein Nachholbedarf besteht. Was eine Erkenntnis ;-((
Kenny /27.06.2009 22:55
@Joachim und @Pleitegeier: Vielleicht sollten die Banken erst mal vor der eigenen Tür kehren - siehe Finanzkrise. Da haben die Banken ja nun mal perfekt gezeigt, wie professionell ihr Risikomanagement ist. Habe gerade die Ergebnisse der folgenden Studie entdeckt:

Laut einer aktuellen Studie, für welche die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte die Chief Risk Officer von 111 Finanzinstitutionen sowie Versicherern und Vermögensverwaltern befragte, haben viele Banken die Lehren aus der Finanzkrisen offenbar noch lange nicht umgesetzt: So gab nicht einmal die Hälfte (49 Prozent) der Finanzinstitute an, dass sie die Verantwortlichkeit für das Risikomanagement ganz oder teilweise in die Leistungsziele ihrer oberen Führungskräfte integriert haben. Lediglich 36 Prozent der Befragten verfügen über ein Enterprise Risk Management (ERM), weitere 23 Prozent sind immerhin dabei, ein solches Programm zu entwickeln. Defizite in diesem Bereich zeigen sich dabei auch bei großen Institutionen: Von den Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mindestens 100 Mrd. US-Dollar hatten ebenfalls nur 58 Prozent ein ERM-Programm implementiert.

Rund 80 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Stresstests für ihre Bank- und Handelsbücher einsetzen. Allerdings erklärten lediglich 58 Prozent, Stresstests für ihre Engagements in strukturierten Produkten zu nutzen. Zudem führten nur 17 Prozent tägliche Stresstests durch, zwei Drittel dagegen nutzen dieses Instrument nur einmal im Quartal oder noch seltener.

Fazit: Erst mal vor der eigenen Tür kehren und dann Studie über andere Branchen veröffentlichen ...
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