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Die Krise hat deutsche Unternehmen robuster gemacht


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Eine in Zusammenarbeit mit dem "Handelsblatt" durchgeführte Bilanzanalyse des Centrums für Bilanzierung und Prüfung (CBP) an der Uni Saarbrücken und des Beratungsunternehmens Oliver Wyman unter 136 großen börsennotierten Unternehmen kommt zu dem Schluss, das die Konzerne ihre Liquidität im Krisenjahr 2009 um 16 Mrd EUR erhöht haben. "Die enormen Fortschritte bei der Innenfinanzierung sind beeindruckend", sagt Thomas Kautzsch, Partner bei Oliver Wyman.

Anders als in der letzten Krise hätten die Unternehmen ihre Lagerbestände radikal heruntergefahren und kürzere Zahlungsziele vereinbart. Dadurch konnten sie Liquiditätsreserven mobilisieren. DAX-Konzerne wie Volkswagen oder Thyssen-Krupp erwirtschafteten so Milliarden. Bilanzexperte und CBP-Chef Karlheinz Küting hat besonders überrascht, dass viele Unternehmen trotz schwindener Umsätze und herber Gewinneinbrüche ihren operativen Cash-Flow und die Eigenkapitalquote steigern konnten. "Diese Gegenläufigkeit", so der frühere Hochschulprofessor, "stellt die Lehrbuchmeinung auf den Kopf."

Zwar haben bei der wichtigen Kennzahl Eigenkapitalquote einige Unternehmen nachgeholfen. Neun Konzerne, darunter Daimler, der Düngemittelhersteller K+S und Infineon, baten im vergangenen Jahr ihre Eigentümer zur Kasse, um die eigene Bilanzen aufzumöbeln. Die meisten anderen deutschen Großunternehmen aber schafften dies aus eigener Kraft: Die Eigenkapitalquote aller 25 Dax-Konzerne (ohne Banken und Versicherer) stieg im Vergleich zu 2008 um 4,5 Punkte auf 27,7 Prozent.

Operativer Cash-Flow konnte in der Krise erhöht werden

Enorm verbessert hat sich auch die Innenfinanzierung. Die Konzerne mobilisierten Milliardenbeträge durch den Abbau ihres Umlaufvermögens. Die Manager fuhren die Lagerbestände zurück und trieben Forderungen gegenüber der Kundschaft ein. Vor allem deshalb stieg der operative Cash-Flow der analysierten Unternehmen um 13 Prozent auf 139 Mrd EUR. Allein der Cash-Flow der großen Dax-Konzerne verbesserte sich um 22,2 Prozent - und das mitten in der Krise.

Nur bei zehn der 136 Firmen war der operative Cash-Flow im vergangenen Jahr negativ: Aus dem MDAX waren das die beiden Maschinenbauer Gildemeister und Heidelberger Druckmaschinen, der Holzverarbeiter Pfleiderer und der Bezahlsender Sky Deutschland. Hinzu kommen aus dem TecDax die Solarunternehmen Roth & Rau, Solar World und Q-Cells sowie die drei Biotechunternehmen Evotec, Medigene und Morphosys.

Bei weiteren zehn Unternehmen reicht der operative Cash-Flow des Jahres 2009 nicht aus, um damit die kurzfristigen Nettofinanzschulden zurückzuzahlen. Auf dem Papier benötigt etwa der Anlagenbauer Singulus 50 Jahre zur Schuldentilgung aus eigener Kraft, der Autozulieferer Grammer 23 Jahre.

Doch das sind Ausnahmen vom insgesamt klar positiven Trend. Mehr als 100 der analysierten Unternehmen können ihre kurzfristigen Nettofinanzverbindlichkeiten mit der zufließenden Liquidität aus dem operativen Geschäft begleichen. Cash-Maschinen wie die Deutsche Telekom, Air Berlin und Loewe beispielsweise schaffen die Schuldentilgung in weniger als zwei Wochen.

Die Krise hat die deutschen Unternehmen rubuster gemacht

Thomas Kautzsch, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman, hält es für beachtlich, "wie Cash-stark die meisten Unternehmen trotz der Unterauslastung ihrer Produktionsanlagen waren". Dies zeige, dass die Management-Systeme zur Steuerung des Umlaufvermögens, das Working-Capital-Management, funktionieren. Bei der letzten Rezession Ende der 90er-Jahre sei dies noch nicht der Fall gewesen.

Ziel des Working Capital Managements ist es, die Durchlaufzeit des im Umlaufvermögen gebundenen Kapitals so gering wie möglich zu halten. Dabei berechnet sich das Working Capital aus der Differenz von Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten. Ist diese Differenz positiv, so bedeutet dies nicht anderes, als dass ein Anteil des Umlaufvermögens mit langfristig zur Verfügung stehendem Kapital finanziert wird. Das Working Capital soll im Idealfall ein Verhältnis von 2 : 1 zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigem Fremdkapital aufweisen. Ist das Ergebnis dagegen negativ, bedeutet dies, dass das Umlaufvermögen nicht ausreichend ist, um die gesamten kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken. Ein Teil des Anlagevermögens ist damit kurzfristig finanziert. Dies verstößt gegen die goldene Bilanzregel. Das Unternehmen kann somit zukünftig schnell in Liquiditätsschwierigkeiten geraten.

Gerade in Zeiten hoher Volatilitäten auf den Nachfragemärkten, sinkenden Margen, Kostendruck und Währungsinflation sollten sich Unternehmen bewusst sein, welche Relevanz ein effektives Working Capital Management darstellt. Es gilt die einfache Regel: Je höher das Working Capital ist, desto gesicherter ist die Liquidität und damit auch die Beweglichkeit des Unternehmens.

Die Krise hat die Unternehmen robuster gemacht. Die Manager haben Randaktivitäten verkauft und sich auf das Kerngeschäft konzentriert. Um die Liquidität zu schonen, haben die Unternehmen aber auch eisern gespart und die Ausgaben für Dienstreisen, Sponsoring, Messeauftritte und Beraterhonorare gekappt. Obendrein setzten viele Unternehmen den Rotstift bei den Investitionen an.

Die Manager haben aber nicht nur die Devise "Cash is King" beherzigt. Sie haben darüber hinaus auch das Eigenkapital gestärkt und damit auch die Risikotragfähigkeit erhöht. 35 der untersuchten Unternehmen, also jedes vierte, weist nach dem Krisenjahr 2009 eine komfortable Eigenkapitalquote von mehr als 40 Prozent auf.


[Bildquelle: iStockPhoto]

Kommentare zu diesem Beitrag

judith /28.06.2010 22:25
hat tatsächlich die krise die unternehmen in deutschland rubuster gemacht? oder haben nicht vielmehr viele unternehmen (vor allem die vielen mittelstaendischen, familiengeführten hidden champions) bereits vor vielen jahren ihre hausaufgaben gemacht (im gegensatz zu vielen banken) und stehen nun nach der krise sehr gut da. viele dieser hidden champions haben sich unabhaengig von bankkrediten gemacht und wachsen aus ihrer eigenen liquididitaet. ob dies nun working capital management heisst oder wie auch immer ... eigentlich hat es viel mit gesundem unternehmertum und gesundem menschenverstand zu tun ... ach ja, viele dieser hidden champions verzichten uebrigens auch auf unternehmensberater, die ihnen irgendwelche revolutionaeren konzepte (siehe working capital management) verkaufen wollen ;-(
die wettbewerbsvorteile der hidden champions beruhen uebrigens weniger auf kostenvorteilen, sondern sind zumeist auf produktqualitaet, wirtschaftlichkeit („total cost of ownership“), liefertreue, beratung und kundennaehe zurueckzufuehren.
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