Schrumpfen als Teil des Risikomanagements

Small is beautiful


Small is beautiful: Schrumpfen als Teil des Risikomanagements News

Europas Banken wollen nicht mehr groß sein. Die nach der Finanzkrise entworfene und seither Stück für Stück umgesetzte Regulierung bestraft Größe, indem sie den Instituten mehr Eigenkapital, mehr Verlusttragfähigkeit und einen höheren Vorsorgebeitrag für die eigene Abwicklung abverlangt. Deshalb vergeben die Banken nicht nur weniger Unternehmenskredite, sie wollen auch keine größeren Einlagen ihrer Kunden mehr halten.

Die Nachricht, dass die Commerzbank auf Einlagen großer Unternehmen künftig einen Strafzins erheben wird, sorgte bei der gerade laufenden Euro Finance Week für Aufsehen. Damit will die Bank verhindern, dass Firmen und institutionelle Anleger zu viel Geld auf ihren Konten bunkern. Grund für diesen Schritt seien die negativen Einlagezinsen der EZB.

Dass die EZB mit ihrer Zinspolitik Schuld daran sein soll, glaubt Finanzexperte Thorsten Polleit allerdings nicht. Nach seiner Berechnung bürdet der negative Einlagenzins von 0,2 Prozent den Banken des gesamten Euroraums gerade mal Zusatzkosten von 223 Millionen Euro pro Jahr auf. "Umgerechnet auf die Sichtverbindlichkeiten der Kunden von mehr als 4.700 Milliarden Euro ist das eine Belastung von weniger als 0,005 Prozent", rechnet er vor.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet, biete der negative EZB-Einlagenzins folglich keine überzeugende Erklärung dafür, dass der Bankensektor derzeit einen "sichtbaren" Strafzins, zum Beispiel in Höhe des EZB-Einlagenzinses, erheben müsste, sagt Polleit, der Chefvolkswirt des Goldhändlers Degussa ist.

Macht eine große Bank wie die Commerzbank es trotzdem, bessert sie entweder im Windschatten des negativen EZB-Zinses ihren Gewinn auf oder sie vertreibt die großen Einleger. Ein höherer Gewinn macht die Aktie attraktiver, weil er ausgeschüttet oder zur Stärkung des Eigenkapitals verwendet werden kann. Ein Abzug von Einlagen verkürzt die Bilanz und kommt damit ebenfalls der Eigenkapitalquote zugute.

Die deutschen Banken haben zwar die große Bilanzprüfung durch die EZB relativ gut überstanden, aber gerade ein Blick auf die ungewichteten Eigenkapitalquoten zeigt, dass sie bilanziell hart am Wind segeln. So kam die Deutsche Bank per 31. Dezember 2013 nur auf eine so genannte Leverage Ratio von 2,4 Prozent. Diese Quote gibt das Verhältnis von Risikoaktiva zu Bilanzsumme an. Das Finanzhaus hat sein hartes Eigenkapital deshalb seitdem um knapp 10 Milliarden Euro aufgestockt.

Aber auch die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, kam nur auf gut 2,7 Prozent und rüstete 1,5 Milliarden Euro an Kernkapital nach. Gefordert ist ab 2018 eine Quote von 3 Prozent, bereits ab kommendem Jahr müssen die Banken sie veröffentlichen. Eine bessere Relation können die Institute entweder über mehr Eigenkapital erreichen - oder über die Verkleinerung der Bilanz.

Die Commerzbank ist mit ihrer Idee eines negativen Zinses auf hohe Einlagen daher wohl nicht allein in der Branche. Ein leitender Mitarbeiter eines anderen deutschen Instituts sagte kürzlich in Frankfurt: "Wenn jemand mit größeren Geldbeträgen zu uns kommt, dann schicken wir ihn wieder weg. Das kostet alles Bilanz."

Auch die Deutsche Bank plant nach Aussagen eines Informanten einen negativen Zins auf Einlagen. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht getroffen. Ein Sprecher sagte auf Anfrage, dass die Bank "derzeit nicht" plane, "im breiten Kundengeschäft Gebühren für Einlagen einzuführen". Institutionellen Kunden biete die Bank derzeit unter anderem Termingelder als Alternative an.

Ein weiterer Weg zur Begrenzung der Bilanzgröße ist eine zurückhaltende Vergabe von Krediten. Einerseits lebt die Bank von Ausleihungen, andererseits muss sie dafür besonders viel Eigenkapital vorhalten. Das Volumen der ausstehenden Unternehmenskredite schrumpft seit längerem. "Unternehmenskredite gelten als riskant, Staatsanleihen dagegen als risikofrei - ist es wirklich das, was wir wollten?", fragte auf der Euro Finance Week Jacques de Larosiere, der nach der Finanzkrise im Auftrags der EU-Kommission den Rat für Systemrisiken schuf.

Sicherer als vor der Finanzkrise ist das Bankensystem heute nach allgemeiner Überzeugung geworden. Aber die Sache hat auch eine Kehrseite. "Der Preis, den wir zahlen, sind die härteren Kreditbedingungen", sagte bei der gleichen Veranstaltung Theodor Weimer, der Chef der Hypovereinsbank. Doch was das wachstumsschwache Europa braucht, sind viele und erschwingliche Kredite, vor allem für kleinere Unternehmen.

Besonders hart trifft es derzeit die global tätigen und systemisch wichtigen Großbanken, von denen es in Deutschland nur eine gibt - die Deutsche Bank. Auf europäischer Ebene sind zudem die britische Barclays und die französische BNP Paribas am stärksten betroffen. Sie müssen mit besonders viel Eigenkapital und der Emission von abschreibungs- und wandlungsfähigen Anleihen dicke Polster für den Fall schaffen, dass sie scheitern und abgewickelt werden müssen.

Die Lehre aus der Finanzkrise lautet: Banken dürfen nicht so groß und wichtig sein, dass man sich nicht traut, sie pleite gehen zu lassen. Deshalb der hohe Eigenbeitrag im Falle einer Abwicklung, deshalb die Anreize, nicht noch weiter zu wachsen. So erklärt sich auch der - bislang offiziell nicht bestätigte - Rückzug der Deutschen Bank aus dem Geschäft mit Swaps auf Kreditausfallversicherungen einzelner privater oder staatlicher Adressen. Für diese Geschäfte wird besonders viel Eigenkapital fällig.

Eine weitere Belastung, die alle Banken schultern müssen, ist der Bankabwicklungsfonds. Er soll in den kommenden acht Jahren mit Abgaben der Institute befüllt werden. Je größer eine Bank ist, desto höher wird ihr Anteil sein - ein Anreiz, die Bilanz zumindest zum Stichtag 31. Dezember zu verkleinern.

Die Commerzbank-Analysten erklären damit eine in den vergangenen Tagen zu beobachtende Marktbewegung, den Ausverkauf bei Futures auf europäische Schatzwechsel. "Durch den Schritt in Richtung einer europäischen Bankenabgabe, den speziell Deutschland vorantreibt, könnten Banken 2014 einem noch mächtigeren Druck zur Bilanzverschlankung ausgesetzt sein. Da eine Reduzierung des Bilanzvolumens über kurzfristige Produkte wahrscheinlich am wenigsten schmerzhaft ist, könnten diese dem größten Druck ausgesetzt sein", heißt es in einem Kommentar der Commerzbank.

Doch nicht nur an den Finanzmärkten könnten Folgewirkungen spürbar werden. Christian Clausen, Chef der schwedischen Nordea AB und Vorsitzender des europäischen Bankenverbandes, warnte bei der Euro Finance Week: "Wenn wir unsere Bilanzen in dem geforderten Maß anpassen, dann hat das erhebliche Einflüsse auf die Wirtschaft."

[ Bildquelle Titelbild: © Carola Vahldiek - Fotolia.com ]
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